Unterschiedliches Bildungsniveau in der Beziehung - Wie wichtig ist ein ähnliches Bildungsniveau in der Beziehung?

Gleich und Gleich gesellt sich gern: Dieser zum Sprichwort erhobene Glaubenssatz bei der Partnerwahl lässt sich auch auf die Bildung beziehen. Statistiken belegen, dass Beziehungen bzw. Ehen im Schnitt länger halten, wenn das Bildungsniveau der Partner nicht zu stark voneinander abweicht. Andererseits ist längst erwiesen und auch hinlänglich bekannt, dass Bildung nicht mit Intelligenz und nur bedingt mit Klugheit gleichgesetzt werden kann.

Wer sich also Gedanken darüber machen möchte, inwiefern Bildung die Beziehung beeinflusst, muss diesen Begriff erst einmal genauer beleuchten. Was ist eigentlich gemeint, wenn von „gleichem Bildungsstand“ die Rede ist? Eine vergleichbare Schul- und Berufsausbildung? Gleich hohe Positionen auf der Karriereleiter? Ähnliche Handlungs- und Denkstrukturen oder einfach zueinander passende Interessen?

Und wie kommt es eigentlich, dass so viele Menschen glauben, für irgendetwas oder irgendjemanden zu klug zu sein, aber fast niemand ernsthaft glaubt, er sei für etwas oder jemanden zu dumm? Bei entsprechenden Befragungen drängt sich geradezu der Verdacht auf, dass Verstand das am gerechtesten verteilte Gut überhaupt sein müsse, da scheinbar jeder denkt, er habe davon nicht nur genug, sondern auch noch mehr als viele andere. Gleichzeitig beklagen Wissenschaftler, Philosophen und Pädagogen seit Jahrhunderten den Verfall von Bildung und guten Sitten. Wie passt das zusammen?

Bildungsniveau in der Beziehung: Niemand ist zu schlau oder zu dumm für die Liebe

Es ist eine verbreitete Ansicht, dass zu viel Bildung bei der Partnersuche und in Beziehungen ein Hindernis sein kann. So gibt es sehr viele Singles, die den Hauptgrund für ihr Alleinsein in ihrer hohen Bildung und den daraus resultierenden (zu) hohen Ansprüche an Partner und Partnerschaft sehen. Die gegenteilige Aussage, man habe aufgrund eines zu niedrigen Bildungsstandes oder zu geringer Ansprüche schlechte Chancen auf dem Beziehungsmarkt, hat jedoch ausgesprochenen Seltenheitswert und taucht daher in den meisten Statistiken erst gar nicht auf.

Es wird sich also vornehmlich „von oben nach unten“ beschwert, wobei diejenigen, sie sich in puncto Kopf und Gehirn oben wähnen, daraus gleichzeitig ihre Befähigung und Berufung ableiten, derartige Positionierungen festzustellen und zuzuweisen. Wer hingegen am Partner bemängelt, dieser gehe zu „verkopft“ an Liebesdinge heran, rede etwa Romantisches tot oder habe Schwierigkeiten, sich auch mal gehen zu lassen und auf sein Herz zu hören, stellt damit keineswegs den eigenen Kopf auf eine niedrigere Stufe als den des Partners, sondern wirft diesem stattdessen Gefühlsdefizite vor.

Nicht der Kopf, sondern das Bild vom Kopf steht dem Herzen im Weg

In der Eheberatung oder Paartherapie wird immer wieder deutlich, dass eine Trennung von Herz und Kopf nur in der Theorie funktioniert. Zwei Menschen, die einander lieben, können dennoch weder einen Kopf noch ein Herz teilen. Was sie idealerweise gemeinsam haben und was ihre Beziehung tragfähig und glücklich macht, sind Vorstellungen, Interessen, Pläne und natürlich Handlungen und Erlebnisse, also die kontinuierliche und harmonische Umsetzung individueller Ressourcen in einer gemeinsamen Geschichte.

Nicht nur Paare, sondern auch Alleinstehende oder Geschiedene kommen in die Ehe- und Paarberatung. Oft sind es Menschen, die nach einer Scheidung oder Trennung neue Perspektiven suchen und darum besser verstehen möchten, was in der gescheiterten Beziehung schiefgelaufen ist und wie sie diese Fehler bei der nächsten Liebe vermeiden können. Auch Singles lassen sich häufig von einem Psychologen bzw. Paartherapeuten beraten, um zu mehr Selbsterkenntnis zu gelangen und damit die Partnersuche erfolgreicher angehen zu können.

Wer offen zugibt, mit dem (niedrigeren) Bildungsstand des Partners, Ex-Partners oder Partnerschaftskandidaten Schwierigkeiten zu haben, läuft Gefahr, für arrogant gehalten zu werden. Daher wird dieses Thema oft tabuisiert, und es bedarf einigen Mutes, es zur Sprache zu bringen – vor allem, wenn der Betreffende mit am Tisch sitzt. Viel größer ist jedoch das Risiko, mit einer solchen pauschalen Aussage wichtige Einsichten und Selbsterkenntnisse zu verhindern oder zu verzerren. Denn nicht der unterschiedliche Bildungsstand, sondern dessen Wahrnehmung sowie praktische oder vermeintliche Konsequenzen sorgen für Konflikte in der Partnerschaft. 

Unterschiedliches Bildungsniveau in der Ehe: Die Sache mit dem Niveau

Inwiefern der Partner den eigenen Interessen entgegenkommt, hat meist weder mit dem Punktwert beim IQ-Test noch mit der Schul- oder Berufsausbildung zu tun. Da jeder Mensch sein Leben lang lernen und sich weiterentwickeln kann, sind Bildungsdefizite weder festgelegtes Schicksal noch Pech, das man hinnehmen muss. Schwierig wird es jedoch, wenn die Partner unterschiedliche Prioritäten setzen und voneinander abweichende Vorlieben oder Ziele haben. Denn schnell wird mangelndes Interesse an den eigenen Schwerpunkten mit Ignoranz oder Zurückweisung gleichgesetzt. Zudem werden individuelle Vorlieben, Wünsche und Fertigkeiten oft nach landläufigen Vorstellungen einer bestimmten Niveauhöhe zugeordnet: Theater hat ein höheres Niveau als Kneipe, Lesen ein höheres als Fernsehen, Studium ein höheres als Handwerksausbildung.

Solche Verallgemeinerungen erlauben schnelle Vergleiche, bieten aber auch viel Raum für Vagheit, Halbheiten und Vorverurteilungen, die dem Einzelnen bei näherem Hinsehen selten gerecht werden. Beim Betrachten oder gar Bewerten des eigenen Partners spielen Pauschalisierungen dennoch eine große Rolle, denn Klischees sitzen oft sehr tief und können erst dann hinterfragt oder relativiert werden, wenn sich die Betroffenen ihrer Denkweise bewusster werden. Das eigene Denken kritisch zu betrachten fällt jedoch oft denen am schwersten, die sich für besonders klug und anderen überlegen halten.

Wesentliche Bildungs- und Entwicklungsvoraussetzungen wie Begeisterungsfähigkeit, Motivation, Lernbereitschaft oder Ehrgeiz sind grundsätzlich bei allen Menschen vorhanden. Je nach Interessenlage können sie sich bei zwei Menschen jedoch auf ganz unterschiedliche Ziele richten und auch auf sehr verschiedene Art nach außen getragen werden. Es ist nicht automatisch ein Zeichen für Bildung oder hohes intellektuelles Niveau, viele Bücher zu lesen, regelmäßig ins Theater oder Konzert zu gehen, sich gern über abstrakte Themen zu unterhalten oder eine beeindruckende Karriere hinzulegen. Ebenso wenig ist es ein Zeichen für Unbildung, am liebsten mit den Händen zu arbeiten, in der Oper einzuschlafen oder keinen Wunsch nach beruflichem Aufstieg zu empfinden.

Gefühlte Niveauunterschiede erschweren eine Beziehung auf Augenhöhe

Eine Partnerschaft auf Augenhöhe – das wünschen sich fast alle Menschen. „Augenhöhe“ ist jedoch keine nur durch Intellekt oder (Vor-)Bildung definierbare Position. Denn dabei geht es vor allem um das Gefühl, auf ganzer Linie und mit der gesamten Bandbreite der eigenen Persönlichkeit verstanden und akzeptiert zu werden, sich auf den Partner verlassen zu können und seiner Unterstützung sicher zu sein. Es ist überdies sehr wichtig, sich für den Menschen, mit dem man sein Leben teilt, nicht zu schämen, sondern im Gegenteil stolz auf ihn zu sein und sich mit ihm gemeinsam stärker zu fühlen als alleine.

Am Partner wahrgenommene Defizite können auf vielerlei Weise zu Beziehungsproblemen führen – vor allem, wenn einer dort ein Defizit empfindet, wo der andere zufrieden ist. Kultur, Erziehung, Glaubenssätze aus der Kindheit und eigene Erfahrungen prägen das Selbstbild und somit auch die Erwartungen an den Wunschpartner. Dieser soll im Idealfall in allen wichtigen Wesens- und Wissensbereichen die passenden Entsprechungen mitbringen. Ist das nicht der Fall, laufen manche Aspekte der eigenen Welt ins Leere – etwa dann, wenn ein Partner kein Interesse an etwas zeigt, das dem anderen wichtig ist, oder darauf sogar mit Widerwillen und Ablehnung reagiert.

Wenn ein Paar in der Eheberatung oder Paartherapie erklärt, eine Beziehung auf Augenhöhe sei schwer oder unmöglich, gilt es stets, diese allgemeine Aussage zuerst einmal in verwertbare, also praxisnahe Informationen umzuwandeln. Wie wird die fehlende Augenhöhe definiert? Wie äußert sie sich im Zusammenleben? Woran wäre dieselbe Augenhöhe erkennbar? Was wäre anders, wenn der Partner oder die Partnerin auf Augenhöhe stünde? Wie würde sich das anfühlen?

Praktische Ansätze sind besser als Theorien

Für viele Paare ist die Ehe- oder Paarberatung durch einen psychologisch geschulten Außenstehenden der erste Schritt zum Aufbrechen und Verändern festgefahrener Denkstrukturen – und somit ein erster Ansatz zur gemeinsamen Arbeit an den Details, die wirklich zählen. Selten geht es tatsächlich darum, dass der Partner kein Abitur oder abgeschlossenes Studium hat oder dass er Botticelli für eine Käsesorte hält. Stattdessen treten ganz konkrete technische oder emotionale Probleme auf den Plan, für die die folgenden Aussagen charakteristisch sind:

  • Ich fühle mich von dir nicht verstanden/ernstgenommen.
  • Es gibt so viele Dinge, über die ich gern mit dir reden würde, die dich aber offenbar nicht interessieren.
  • Ich wünschte, du würdest mehr aus dir machen.
  • Deine Bücher sind dir wichtiger als ich.
  • Du weißt gar nicht, was du an mir hast.
  • Meine Freunde/Verwandten halten dich für einen Versager.
  • Wenn du in Gesellschaft nicht mitreden kannst, wirft das auch ein schlechtes Licht auf mich.
  • Du musst ja ohnehin überall der/die Beste sein. Da halte ich mich lieber raus.
  • Nur weil ich nicht so viel rede wie du, heißt das nicht, dass ich nicht ebenso viel nachdenke.

Die Liste ließe sich beliebig verlängern – und wie man sieht, geht es hier um Schwierigkeiten, die sich viel weniger der Bildung als der Kommunikation, dem Vertrauensverhältnis und dem Selbstwertgefühl zuordnen lassen. An diesen drei lässt sich jedoch immer ansetzen, so lange die Partner sich ein glückliches gemeinsames Leben und eine Beziehung auf Augenhöhe miteinander vorstellen können.

Die grundsätzliche Bereitschaft, an sich zu arbeiten und die eigene Persönlichkeit nicht nur sich selbst, sondern auch dem Partner zuliebe zu entwickeln und zu erweitern, sollte in einer Partnerschaft bei beiden vorhanden sein. Denn wenn sich zwei Menschen lieben, definiert sich jeder zu einem gewissen Teil über den anderen – daher kann jeder, indem er selbst wächst und gedeiht, damit den Partner oder die Partnerin ebenfalls größer und stärker machen.

Ihre
Ilona von Serényi, Aachen-Oberforstbach

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Ilona von Serényi - Paartherapie & Eheberatung
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