Wie Arbeitslosigkeit die Beziehung belasten kann

Rund jeder fünfte Erwerbstätige in Deutschland fürchtet um seinen Job. Eine Kündigung bedeutet nicht nur weniger Einkommen und ein Absinken des Lebensstandards, sondern stellt für die allermeisten Betroffenen auch eine große innere Herausforderung dar. Dabei trifft der Verlust des Arbeitsplatzes Männer besonders hart: Vor allem Familienväter, die sich vorher in hohem Maß über ihre Rolle als Alleinernährer und Versorger definiert haben, wissen danach oft nicht, wie es weitergehen soll, und laufen Gefahr, in eine ernsthafte Sinnkrise zu stürzen.

Ungewollte oder unerwartete Arbeitslosigkeit stellt zudem eine echte Prüfung für die Beziehung dar – eine Prüfung, auf die die wenigsten vorbereitet sind. Wie wichtig der Job beispielsweise für das Selbstwertgefühl, das Allgemeinbefinden, die sexuelle Identität oder die Attraktivität auf den Partner war, merken viele erst, wenn sie keinen Job mehr haben. Viele Paare berichten in der Eheberatung oder während einer Paartherapie darüber, wie schwer es ihnen gefallen ist oder immer noch fällt, sich auch ohne Erwerbstätigkeit als vollwertigen Menschen, Partner oder Vater zu empfinden bzw. als nützliches Mitglied der Gesellschaft zu sehen.

Wenn zur drohenden oder bereits eingetretenen Arbeitslosigkeit auch noch Beziehungsprobleme kommen, steht auf einmal alles Wichtige, Geliebte und Vertraute auf dem Spiel, und das komplette Weltbild gerät ins Wanken. Doch oft ist die Situation nicht so ausweglos, wie sie dem schicksalsgeprüften Paar gerade vorkommt. Sie erfordert lediglich ein gezieltes und gemeinsames Umdenken – einerseits zur notwendigen Anpassung an die neuen Lebensumstände, und andererseits natürlich auch, damit Kraft genug für positive Veränderungen und den Blick nach vorne bleibt, beispielsweise bei der Suche nach einem neuen Job.

Schicksalsgeprüfte Paare, die sich durch Arbeitslosigkeit und deren Folgen auch als Liebespaar bzw. Lebensgemeinschaft überfordert fühlen, können in einer Eheberatung oder Paartherapie lernen, wie sie ihre Liebe, ihr Vertrauen und den respektvollen Umgang miteinander sicher durch die harten Zeiten bringen können. Solange beide das wollen und generell für möglich halten, sollte der Jobverlust nicht zum Trennungs- oder gar Scheidungsgrund werden. Viel konstruktiver ist es, auch bei dieser Herausforderung fest zusammenzuhalten, sie zusammen zu meistern und als Paar gestärkt daraus hervorzugehen.

Beziehungsproblem Arbeitslosigkeit: Sie kommt fast immer zur falschen Zeit

Menschen, die mit einem festen Partner bzw. einer festen Partnerin zusammenleben oder verheiratet sind, haben ihr Leben oft sehr gut durchorganisiert. Viele Paare mit oder ohne Kinder sind Doppelverdiener, was bedeutet, dass zur Beziehung und zum normalen Leben auch zwei Jobs gehören. Fällt einer davon weg, kann es sein, dass das Einkommen nicht mehr ausreicht, um den gemeinsamen finanziellen Verpflichtungen nachzukommen. Und da können sich im Laufe der Jahre einige ansammeln – vor allem, wenn das Paar fest davon ausgegangen war, dass beide Jobs auch langfristig sicher seien, und die Lebensplanung danach ausgerichtet hatte.

Oft reicht es nicht, einfach den sprichwörtlichen Gürtel enger zu schnallen und auf den nächsten Urlaub, teure Kleidung oder das gelegentliche Essen im Restaurant zu verzichten – was vielen Paaren, die an doppeltes Einkommen gewöhnt waren, schon schwer genug fällt. Stattdessen gilt es, das ganze Leben umzustrukturieren, etwa wenn durch die Arbeitslosigkeit die Hausfinanzierung zusammenbricht oder die Raten für das Auto etc. plötzlich unbezahlbar werden.

Ein gesundes Selbstvertrauen, Optimismus, Humor und Gelassenheit sind wichtige Voraussetzungen für die grundsätzliche Harmonie zwischen zwei Menschen und das dauerhafte Funktionieren einer festen Partnerschaft. Wenn das Leben aus den Fugen gerät, stehen diese inneren Ressourcen nicht mehr wie früher als „Knautschzone“ zur Verfügung, um äußere und innere Belastungen abzufangen und zu kompensieren. Viel schneller als früher liegen dann die Nerven blank, reißen die Geduldsfäden und werden Grenzen überschritten. In Zeiten der Krise sind viele Paare besonders gefordert, die hohe Arbeitslosigkeit etwa stellt Beziehungen in der Corona-Krise im Jahre 2020 vor große Herausforderungen. 

Eheproblem: Männer leiden unter der Arbeitslosigkeit oft schwerer als Frauen

In einer Ehe oder Lebenspartnerschaft kommt es in schlechten Zeiten verstärkt zu Reibereien, Grundsatzdiskussionen und ernsten Krisen. Dabei können nicht nur alte Konflikte wieder aufleben, sondern auch neue Streitpunkte hinzukommen – nicht zuletzt dadurch, dass sich die Partner wegen der neuen Situation viel häufiger sehen, aber weniger gemeinsam haben.

Während sich einer immer noch einen Großteil seiner täglichen Bestätigung im Job holt, muss der andere lernen, sich mit dem „Innendienst“ zufriedenzugeben. Wer aber vorher jeden Tag das Haus verließ, um im Berufs- und Geschäftsleben seinen Mann oder seine Frau zu stehen, der wird sich schwertun, dieselbe Genugtuung aus dem Besorgen des Haushalts, dem Einkauf oder dem Schreiben von Bewerbungen zu ziehen.

In den Fällen, in denen ein Partner nach der Geburt eines Kindes freiwillig eine berufliche Auszeit nimmt oder ganz aus dem Arbeitsleben aussteigt, ist dies trotz aller Emanzipation meist immer noch die Frau. Generell scheint es Frauen leichter zu fallen, sich im Laufe ihres Lebens einmal oder auch mehrmals „umzudefinieren“. Bei Männern hingegen, vor allem bei denen in den alten Bundesländern, herrscht vielfach noch das alte Rollenverständnis, das in weiten Teilen der Gesellschaft nach wie vor als Norm gilt: Der Mann ist nur so lange ein echter Mann, wie er fähig ist, seine Frau bzw. seine Familie zu versorgen.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es Männern, insbesondere Familienvätern, wesentlich schwerer fällt, unbezahlte Jobs wie Haushalt oder Kinderbetreuung als vollwertige oder sinngebende Beschäftigung zu sehen. Das Selbstbewusstsein vieler Männer ist weniger an das Privatleben und die Familie gebunden als an die beruflichen Aufgaben und Erfolge.

Der Mann agiert gewissermaßen mit einem Tunnelblick, der ihm hilft, sich auf seinen Fokus, nämlich den Job und den Kampf ums tägliche Geld, zu konzentrieren. Das geistige und seelische Konfliktpotenzial ist darum am größten, wenn der Mann seinen Job verliert und die Frau weiterhin (oder erst deswegen) arbeiten geht.

Wenn der Job weg ist, geraten solche „typischen“ Männer stark unter Druck und fallen nicht selten in ein tiefes psychisches Loch. Sie fürchten, bei Frau und Kindern nichts mehr zu gelten und nichts mehr zu sagen zu haben. Sie isolieren sich innerlich und äußerlich, sprechen nicht über ihre Ängste und fühlen sich degradiert und ausgegrenzt. Viele lassen sich gehen, werden aggressiv oder greifen zur Flasche, um ihre Ängste zumindest zwischendurch zu betäuben. In der Praxis der Eheberatung kommen oft Alkohol- und Suchtprobleme auf den Tisch, die nach dem Verlust des Arbeitsplatzes begonnen haben.

Arbeitslosigkeit: Die Suche nach neuem Sinn ist keine Ersatzbefriedigung

Wer seine Existenz bedroht und seinen Lebensinhalt verloren glaubt, der hat in der Regel  wenig Lust, sich kluge Ratschläge vom Partner oder von einem Eheberater anzuhören. Dennoch ist es besser, das angeschlagene Welt- und Selbstbild zu überdenken und etwas Neues dazuzulernen, als nur den Verlust des Bekannten und früher Ausreichenden zu beklagen.

In der Psychologie ist längst bekannt, dass ein gutes Einkommen oder ein spannender Job viel weniger wichtig für die Attraktivität sind als Zuversicht, Lebensfreude, Verlässlichkeit und ein gewisses Maß an Fantasie und Wandlungsfähigkeit. Ein Mensch wird also nicht weniger interessant oder weniger erotisch für seinen Partner, wenn er seinen Job verliert. Allerdings ist selbst der geliebte Partner schwer zu ertragen und wenig sexy, wenn er auf einmal permanent den Kopf hängen lässt, jammert, sich beschwert und mit der Gegenwart hadert. Je rascher und besser Betroffene also lernen, sich in der neuen Situation zurechtzufinden, sich neue Ziele zu stecken und darauf hinzuarbeiten, umso besser ist das für ihr Selbstvertrauen – und damit auch für die Partnerschaft und die Chancen, bald einen neuen Job zu finden.

Was, wenn die Arbeitslosigkeit zum Dauerzustand wird?

Arbeit ist nicht automatisch Erwerbstätigkeit. Ein Mann, der seinen Job verliert, kann das durchaus als Chance begreifen, die Gleichwertigkeit typischer „Frauenarbeit“ kennenzulernen. Sind die finanziellen Voraussetzungen gegeben, etwa weil die Partnerin arbeitet oder Ersparnisse zum Überbrücken der geldknappen Zeit vorhanden sind, ergreift manch ein kluger Mann in einer solchen Situation die Gelegenheit, sein Leben zu bereichern, indem er sich, seine Kinder und die Welt jenseits seines früheren „Tunnels“ besser kennenlernt. So lässt sich ein völlig anderes, mehr lust- als kampfbetontes, spielerisches Lebensgefühl entdecken, das auch in einem späteren Arbeitsleben sehr nützlich werden kann und nie mehr ganz verlorengehen wird.

Um dem Hartz-IV-Schreckgespenst zu entgehen, wagen auch viele den Schritt in die Selbstständigkeit. Wer mit diesem Gedanken spielt, braucht aber in jedem Fall den vollen Rückhalt seiner Familie – und sollte sich zudem gut über seine Möglichkeiten und Risiken beraten lassen. Kurzschlussreaktionen sind hier ebenso wenig empfehlenswert wie dauerndes Grübeln oder das Abdriften in Lethargie und Resignation. Gemeinsames Pläneschmieden schweißt zusammen, fördert gute Ideen aller Art und hält den Optimismus aufrecht, der wiederum seit jeher günstige Gelegenheiten anzieht.

Was immer hilft: in Bewegung bleiben und an der Liebe festhalten

Wer einen Partner hat, der zu ihm hält, der hat auch in Zeiten ohne Job oder mit wenig Geld immer noch vieles, das andere nicht haben. Das Gute, Schöne und Einzigartige zu erkennen, wertzuschätzen und weiterhin zu behalten, sollte daher immer oberste Priorität sein. Zum richtigen Verhalten in Krisensituationen wie Arbeitslosigkeit gehört jedoch auch der richtige Umgang mit Mitleid und Trost: Zu viel davon können schädlich sein, da sie das Gefühl der Schwäche, Abhängigkeit und Wertminderung verstärken. Sehr wichtig sind hingegen Verständnis, gute Kommunikation und gemeinsame Aktionen, die sowohl das Zusammengehörigkeitsgefühl als auch das selbstständige Planen und Handeln fördern.

Der körperliche Aspekt darf bei diesem Thema nicht vergessen werden. Erfahrungsgemäß resultiert ein nicht unwesentlicher Teil der Unruhe, Unzufriedenheit, Lustlosigkeit oder Aggressivität, über die Arbeitslose und deren Partner in der Ehe- oder Paarberatung häufig berichten, aus ungewohnter körperlicher Untätigkeit. Oft leiden Arbeitslose, vor allem in der ersten Zeit nach der Kündigung, unter einem regelrechten „Budenkoller“. Dagegen kann es schon viel helfen, morgens nach wie vor zur gewohnten Zeit aufzustehen, den Tag zu strukturieren und auch Dinge anzugehen, die vorher zu kurz gekommen sind, etwa Hobbys, Sport oder das Pflegen alter Freundschaften.

Ihre
Ilona von Serényi, Aachen-Oberforstbach

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