Wenn der Partner ungewollt Verlustangst triggert: Was Sie jetzt dagegen tun können

Wer in einer stabilen und harmonischen Beziehung lebt, möchte so lange wie möglich darin bleiben. Der Wunsch, einen geliebten und vertrauten Partner zu behalten, ist ebenso normal wie die Angst, ihn verlieren zu können.

Je tiefer die Gefühle für den Partner sind, desto schlimmer ist die Vorstellung, er könne einmal nicht mehr da sein oder nicht mehr zu einem gehören. Doch bei manchen Menschen sind die Verlustängste besonders stark ausgeprägt – so stark, dass sie zur Qual werden, die Freude am Partner überdecken und dem Glück zu zweit im Wege stehen.

Bei übermäßigen Verlustängsten spielt es nicht einmal eine Rolle, ob die ständige Furcht, verlassen zu werden oder verlassen zu sein, begründet ist oder nicht. Starke Verlustängste tun nicht nur weh, sondern können zu einer ernsthaften Gefahr für die Beziehung oder Ehe werden.

Sachliche Argumente und liebevoller Zuspruch reichen oft nicht aus, um die tief verwurzelte Angst zu überwinden bzw. mit ihr umgehen zu lernen. Es ist jedoch für beide Partner sehr wichtig, einen Weg aus der Angst zu finden, bevor sie der Liebe keinen Raum zum Atmen mehr lässt und die Beziehung zu sehr belastet.

Was ist Verlustangst?

Definition und Abgrenzung zu anderen Ängsten

Verlustangst ist die starke Angst, von einer geliebten Person verlassen zu werden. Sie ist eng mit Beziehungen verbunden und unterscheidet sich von anderen Ängsten wie Phobien oder sozialen Ängsten. Während soziale Ängste vor allem die Furcht vor Ablehnung betreffen, dreht sich Verlustangst um den physischen oder emotionalen Verlust eines bestimmten Menschen.

Diese Angst äußert sich oft in Verhaltensweisen wie Klammern, Eifersucht oder einem ständigen Bedürfnis nach Bestätigung. Häufig basieren diese Gefühle nicht auf realen Gefahren, sondern auf der Interpretation von Situationen.

Die Wurzeln der Verlustangst und wann sie problematisch wird

Verlustangst hat evolutionsbiologische Ursprünge. In der Vergangenheit war Bindung lebenswichtig. Der Verlust eines Partners konnte gefährlich sein. Schon Babys reagieren deshalb instinktiv mit Schreien, wenn sie ihre Bezugsperson verlieren. Dieser Schutzmechanismus wirkt bis ins Erwachsenenalter nach.

Ein wenig Verlustangst ist normal und zeigt Wertschätzung für die Beziehung. Problematisch wird sie, wenn sie die Gedanken und Handlungen dominiert. Dann steht nicht die Beziehung im Fokus, sondern die Angst, sie zu verlieren.

Beispiel: Es ist normal, sich bei Streit Sorgen zu machen. Wenn jedoch schon eine verspätete Nachricht starke Unsicherheit und Kontrollverhalten auslöst, kann dies die Beziehung langfristig belasten.

Partner triggert Verlustangst: Wie kann das geschehen?

Der Partner triggert die Verlustangst seines Partners oft unbeabsichtigt durch Handlungen, die aus seiner Sicht harmlos erscheinen. Für Menschen mit Verlustangst wirken solche Situationen jedoch wie ein Alarm, der Unsicherheiten verstärkt und manchmal zu impulsiven Reaktionen führt. Einige Beispiele sind: längere Funkstille, wahrgenommenes Desinteresse und wahrgenommene emotionale Distanz.

Typische Symptome von Verlustangst 

Auswirkungen auf Betroffene: mangelndes Selbstwertgefühl, anhaltende Zweifel und Eifersucht

Menschen, die Angst haben oder unter Stress stehen, reagieren heute kaum anders als ihre Vorfahren: Entweder machen sie sich kampfbereit, oder sie wenden sich zur Flucht. Je nach Charakter und Situation ergeben sich weitere Alternativen – etwa sich totzustellen oder zu kapitulieren.

Daher handeln angstgeplagte und unsichere Menschen manchmal sehr fordernd und aggressiv – etwa indem sie sehr viele und häufige Liebesbeweise einfordern, oder auf andere Weise versuchen, den Partner bestmöglich zu kontrollieren.

Andere hingegen machen sich vor lauter Angst ganz klein: Sie unterwerfen sich dem Partner und versuchen, ihm jeden Wunsch von den Augen abzulesen und alles richtig zu machen, damit er sie nur ja nicht verlässt.

Wer Angst hat, neigt zudem zum Zweifeln, zum Grübeln und zum Misstrauen. Die Angst, verlassen zu werden oder den Partner/die Partnerin zu verlieren, wird dabei oft auf die eigene Person zurückgeführt (projiziert).

Viele Betroffene erzählen von ihrem geringen Selbstwertgefühl, von nagenden Selbstzweifeln und Gefühlen der Minderwertigkeit. Sie haben Angst, nicht schön genug, nicht gut genug oder nicht interessant genug zu sein, um ihren Partner dauerhaft halten zu können.

Daher entwickeln sie ein besonders feines Gespür für das Verhalten des Partners – und suchen ständig nach Anzeichen, die ihre Angst bestätigen könnten. Ganz alltägliche Kleinigkeiten, wie sie im Zusammenleben immer mal wieder vorkommen, können die latent vorhandene Angst regelrecht auflodern lassen. Ein verspäteter Anruf, eine ungeduldige Geste, ein Seitenblick oder ein vermeintlicher Unterton in der Stimme – und schon ist das dünne Band des Vertrauens gerissen.

Menschen, die unter starken Verlustängsten leiden, sind oft auch sehr eifersüchtig: Sie wittern überall Konkurrenz, da sie sich bei Vergleichen eher als Verlierer betrachten, und fürchten, jemand anderes könne ihnen den Partner wegnehmen.

Auswirkungen auf den Partner: Hilflosigkeit, Überforderung und Wut

Für den Partner ist ein solches von Angst bestimmtes Verhalten ebenfalls sehr schwer zu ertragen. Selbst wenn die Angst unbegründet ist, muss er dennoch immer wieder erleben, dass all seine Liebe nicht ausreicht, um sie zu überwinden oder wenigstens zu entkräften.

Ständig wird er damit konfrontiert, und doch hat er keinen Einfluss darauf. Außerdem bleiben seine eigenen Gefühle und Bedürfnisse dabei langfristig auf der Strecke. Wenn Verlustängste so viel Zeit und Raum in Anspruch nehmen, dass sie die Beziehung prägen, ist die Partnerschaft kein Ort der Erholung mehr, sondern eine Gefahrenzone.

Häufige Folgen sind Gefühle der Hilflosigkeit, Ohnmacht und Überforderung, die in Resignation, unterschwellige Wut oder offene Aggression münden können, wenn es dem Paar nicht rechtzeitig gelingt, aus diesem Teufelskreis herauszukommen.

Wie Verlustangst Beziehungen beeinflusst: der Teufelskreis aus Nähe- und Distanzbedürfnis

Der Wunsch nach Nähe des verlustängstlichen Partners kann dazu führen, dass der andere Partner Distanz sucht. Das verstärkt die Verlustangst und führt zu einem Teufelskreis. In Beziehungen mit Verlustangst kommt dieser Kreislauf häufig vor.

Der verlustängstliche Partner sucht verzweifelt Nähe, während der andere Partner sich eingeengt fühlt und sich zurückzieht. Wenn der Partner unbewusst Verlustangst triggert, kann dies also für beide Seiten extrem belastend wirken.

Partner triggert Verlustangst: typische Auslöser und Ursachen

Verlustangst hat immer Gründe. Häufig hat sie ihre Ursprünge in der Vergangenheit. Typische Auslöser sind:

Verlust einer Bezugsperson: Verlustangst beginnt oft in der Kindheit. Der Tod eines Elternteils, eine Scheidung oder das plötzliche Verlassenwerden hinterlassen tiefe Spuren. Solche Erlebnisse erschüttern das Vertrauen in Beziehungen.

Fehlende emotionale Unterstützung durch Eltern: Kinder, die wenig Liebe und Zuwendung erfahren, entwickeln oft ein unsicheres Bindungsverhalten. Eltern, die emotional abwesend oder unberechenbar sind, vermitteln das Gefühl, dass Bindung keine Sicherheit bietet.

Negative Erfahrungen in früheren Beziehungen: Schmerzhafte Trennungen, Betrug oder emotionale Kälte prägen das Vertrauen in neuen Partnerschaften. Betroffene fühlen sich oft schutzlos und tragen die Angst vor erneutem Verlust in die Gegenwart mit.

Warum diese Auslöser so stark wirken

Vergangene Erlebnisse prägen unser Verhalten und unsere Wahrnehmung. Selbst harmlose Situationen – wie eine verspätete Nachricht – können daher alte Ängste wecken. Betroffene interpretieren solche Ereignisse negativ und suchen unbewusst nach Anzeichen für einen drohenden Verlust. Diese tief verwurzelten Muster machen es Betroffenen schwer, zwischen realen und eingebildeten Bedrohungen zu unterscheiden, was die Verlustangst immer weiter befeuert.

Möglichkeiten, Verlustangst zu überwinden

Verlustangst muss nicht die Beziehung bestimmen. Der erste Schritt ist, die eigenen Ängste zu erkennen und daran zu arbeiten. Der Partner kann unterstützen, indem er Verständnis zeigt und offen kommuniziert.

Mit Geduld, Offenheit und manchmal professioneller Hilfe kann die Beziehung trotz Verlustangst wachsen. Hier finden Sie einige Ansätze, die Sie akut, mittel- und langfristig dabei unterstützen.

Partner triggert die Verlustangst: kurzfristige Techniken in Akutsituationen

Atemübungen: Atemübungen helfen, in stressigen Momenten Ruhe zu finden: Atmen Sie tief ein (4 Sekunden), halten Sie den Atem (4 Sekunden) und atmen Sie langsam aus (6 Sekunden). Wiederholen Sie dies mehrmals.

Aufmerksamkeit auf den Körper lenken: Bei akuter Angst hilft es, den Körper bewusst wahrzunehmen. Spüren Sie den Boden unter Ihren Füßen oder legen Sie die Hände auf eine feste Oberfläche. Verwenden Sie die „5-4-3-2-1“-Technik, um sich zu erden (5 Dinge sehen, 4 hören, 3 fühlen usw.).

Selbstreflexion und Verhaltensänderung

Hinterfragen von Glaubenssätzen: Verlustangst entsteht oft durch negative Überzeugungen wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich werde immer verlassen“. Fragen Sie sich: „Ist das wirklich wahr?“ oder „Woher kommt dieser Gedanke?“ Ersetzen Sie diese Überzeugungen durch positive Alternativen, z. B.: „Ich bin wertvoll und verdiene eine liebevolle Beziehung.“

Unabhängigkeit und Selbstwert stärken: Konzentrieren Sie sich auf Ihre eigenen Interessen und Ziele. Pflegen Sie Hobbys und setzen Sie sich persönliche Ziele. Ein starkes Selbstwertgefühl reduziert die Angst vor Verlust.

Ein starkes soziales Netzwerk aufbauen: Pflegen Sie Freundschaften und Beziehungen, die Ihnen Sicherheit geben. Soziale Kontakte stärken Ihr Selbstbewusstsein und verringern Ihre Abhängigkeit vom Partner.

Praktische Tipps für den Alltag

  • Erlauben Sie sich Pausen von Ihrem Partner, um Ihre eigene Unabhängigkeit zu fördern.
  • Haben Sie Geduld mit sich selbst – Veränderungen geschehen nicht über Nacht.
  • Erinnern Sie sich an die positiven Momente in Ihrer Beziehung und schreiben Sie diese auf.

Die Überwindung von Verlustangst ist ein Prozess. Mit bewusster Arbeit und einem klaren Fokus auf Selbstentwicklung können Sie emotionale Freiheit gewinnen. Das stärkt nicht nur Sie selbst, sondern auch Ihre Beziehung.

Tipps für Partner von Verlustängstlichen

Der Umgang mit einem verlustängstlichen Partner kann schwierig sein, vor allem, wenn man die Ängste nicht vollständig versteht. Mit Empathie, klarer Kommunikation und festen Grenzen können Sie die Beziehung stärken und Ihrem Partner helfen.

Hier sind einige Ansätze, die Sie unterstützen können:

1. Verständnis für die Ängste entwickeln: Verlustangst ist oft tief verwurzelt und nicht immer rational. Nehmen Sie die Ängste Ihres Partners nicht persönlich, sondern sehen Sie sie als Ausdruck innerer Unsicherheiten. Sprechen Sie offen über die Ängste und vermeiden Sie Vorwürfe, denn diese verschlimmern die Angst nur.

2. Gespräche ohne Vorwürfe führen: Offene Kommunikation hilft, die Ängste besser zu verstehen und eigene Bedürfnisse zu äußern. Wählen Sie einen ruhigen Moment, um miteinander zu reden. Verwenden Sie Ich-Botschaften, z. B.: „Ich merke, dass du dir Sorgen machst, wenn ich unterwegs bin. Was können wir tun, damit du dich sicherer fühlst?“ und hören Sie aktiv zu und ermutigen Sie Ihren Partner, über seine Gefühle zu sprechen.

3. Hilfe anbieten und gemeinsam Lösungen finden: Unterstützen Sie Ihren Partner, an seinen Ängsten zu arbeiten. Entwickeln Sie zusammen Strategien, wie Atemübungen oder das Aufschreiben von Gedanken. Ermutigen Sie Ihren Partner, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn die Ängste stark ausgeprägt sind. Erinnern Sie ihn daran, dass Veränderung Zeit braucht und Rückschläge normal sind.

4. Eigene Grenzen setzen und respektieren: So wichtig Ihre Unterstützung ist – achten Sie auch auf Ihre eigenen Bedürfnisse. Sagen Sie klar, was für Sie akzeptabel ist: „Ich verstehe deine Ängste, aber ich brauche auch Zeit für mich.“ Halten Sie Ihre Grenzen ein, besonders bei kontrollierendem Verhalten. Achten Sie darauf, dass Ihre eigenen Wünsche und Interessen in der Beziehung Platz finden.

5. Positive Bestätigung geben: Menschen mit Verlustangst brauchen oft mehr Bestätigung. Kleine Gesten können helfen, das Sicherheitsgefühl zu stärken. Sagen Sie Ihrem Partner regelmäßig, dass Sie ihn lieben und schätzen. Zeigen Sie Verlässlichkeit, indem Sie Absprachen einhalten und transparent bleiben.

6. Unabsichtliche Trigger vermeiden: Manche Verhaltensweisen können die Angst verstärken, ohne dass Sie es wollen. Kommunizieren Sie, wenn Sie später nach Hause kommen oder beschäftigt sind. Achten Sie darauf, wie Ihr Verhalten interpretiert werden könnte, besonders bei Treffen mit anderen Personen.

7. Die Eigenständigkeit des Partners fördern: Unterstützen Sie Ihren Partner dabei, Vertrauen in sich selbst und Unabhängigkeit zu entwickeln. Ermutigen Sie ihn, eigene Hobbys und Freundschaften zu pflegen. Bestärken Sie ihn, sich auf seine Stärken und Interessen zu konzentrieren.

Langfristige Ansätze: Paar- und Psychotherapie

Entspannte, konstruktive oder fröhliche Kommunikation auf Augenhöhe kann sich in einer Atmosphäre der Angst bzw. Eifersucht nur schwer entwickeln. Oft wird sie daher im Lauf der Zeit immer seltener.

Im geschützten Umfeld einer Paarberatung oder Paartherapie lernen betroffene Paare, wieder angstfrei miteinander zu reden – nicht nur über die Verlustängste und die daraus resultierenden Probleme, sondern auch über alles, was zu kurz gekommen ist, seit die Angst zum beherrschenden Thema wurde.

Wenn die Verlustangst die Lebensqualität der betroffenen Person stark einschränkt, kann es zudem sinnvoll sein, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein erfahrener Therapeut kann helfen, die zugrunde liegenden Ursachen zu identifizieren und effektive Strategien zur Bewältigung zu entwickeln.

Partner triggert ungewollt Verlustangst: Fazit

Verlustangst ist ein starkes Gefühl, das Menschen und ihre Beziehungen negativ beeinflussen kann. Doch die Auseinandersetzung mit Verlustangst bietet die Chance, daran zu wachsen und bessere Beziehungen zu schaffen.

Der erste Schritt ist, die eigenen Ängste zu erkennen. Mit Selbstreflexion, dem Aufbau von Selbstwert und Entspannungstechniken können Betroffene ihre Verlustangst bewältigen. Hilfe von außen, wie durch eine (Paar-)Therapie kann den Prozess unterstützen.

Ihre  

Ilona von Serényi aus der Eheberatung Aachen 

Zuletzt aktualisiert: 11.01.2025