Die Bedeutung von Vergebung in Beziehungen

Die Bedeutung des Verzeihens in Beziehungen – und generell in der Liebe – ist enorm. Nicht nur, weil innere Ausgeglichenheit, Optimismus und Vertrauen wichtig für die psychische Gesundheit und Liebesfähigkeit sind, sondern auch, weil Vergebung die Bindung zwischen zwei Menschen stärken und intensivieren kann. So kann Vergebung beiden den Weg zu neuer Nähe und neuem Vertrauen öffnen – entweder für einen Neuanfang bzw. das Weiterbestehen der Partnerschaft oder für eine möglichst versöhnliche Trennung.

Vergebung spielt eine entscheidende Rolle für eine glückliche, stabile Partnerschaft. Es gibt immer etwas zu verzeihen, selbst wenn es nur Kleinigkeiten sind. Durch das Entschuldigen und Vergeben zeigt man, dass man einander mit allen Fehlern und Schwächen annimmt und fest an den anderen sowie die gemeinsame Zukunft glaubt. Durch Vergebung lassen sich außerdem Konflikte einfacher und effizienter lösen, da man sich auf konstruktive Lösungen konzentriert, statt im Zorn zurückzublicken oder sich gegenseitig die alten Verfehlungen vorzuhalten.

Generell baut Vergebung Stress ab und schafft ein harmonisches Umfeld, in dem sich lebendige Impulse wie Humor, Großzügigkeit, Neugier, Herzlichkeit und Leidenschaft entfalten können und auch die Kommunikation sich nicht an Groll oder Vorwürfen festfährt. Wer nicht vergeben kann, läuft Gefahr, in der Vergangenheit festzuhängen und immer mehr Gefühlsballast anzuhäufen. Der liegt nicht nur schwer auf den Schultern, sondern kann auch so große Schatten werfen, dass irgendwann niemand mehr darüberspringen kann.

Nicht zuletzt müssen in einer glücklichen Partnerschaft beide wachsen, sich bewegen und verändern dürfen. Das funktioniert nur, wenn keine Steine aus alter Schuld, ungeklärten Fragen oder schwelenden Konflikten im Weg liegen. Insgesamt spielt Vergebung eine wesentliche Rolle beim Aufbau und Erhalt einer gesunden und unterstützenden Partnerschaft, in der sich beide respektiert und geliebt fühlen und auf Augenhöhe kommunizieren können.

Was passiert in uns, wenn wir vergeben?

Wenn wir vergeben, durchlaufen wir einen Prozess der emotionalen und psychischen Verarbeitung, der zu verschiedenen Veränderungen führen kann. Vergebung bedeutet Loslassen; wer dazu bereit ist, kann sein Gefühlsleben aufräumen, mit ständigem Stress oder innerem Aufruhr Schluss machen, sich von negativen Emotionen befreien und Frieden finden.

Der Akt der Vergebung erfordert Selbstreflexion und die Bereitschaft, Verantwortung für die eigenen Gefühle und Handlungen zu übernehmen. Das ist gleichbedeutend mit persönlichem Wachstum, innerer Reife und Charakterentwicklung. Vergeben fördert Mitgefühl, Empathie und das Verständnis für die Perspektive des anderen, was in allen Bereichen der Kommunikation positive Auswirkungen hat und beim Lösen von Konflikten hilft.

Wie kann ich vergeben, wenn mir etwas wirklich Schlimmes angetan wurde?

Vergebung bedeutet nicht, dass Sie das Verhalten des Partners oder der Partnerin auf einmal gutheißen oder vergessen müssen, was passiert ist. Es heißt auch nicht, dass die Person, der Sie vergeben, über ihr Verhalten nicht mehr nachdenken oder sich für eine verletzende Handlung nicht mehr schämen muss. Stattdessen geht es beim Vergeben erst einmal gar nicht um den anderen Menschen, sondern um Sie und Ihren eigenen inneren Frieden. Indem Sie vergeben, tun Sie sich selbst etwas Gutes: Sie können den emotionalen Ballast loslassen, der durch das Festhalten an Wut, Groll, Beleidigtsein oder Rachegedanken entsteht. Sie können sich von quälenden, zu nichts führenden Rückblicken befreien und dadurch frei werden für neue Gedanken und den Blick nach vorn.

Ob, was oder wann Sie verzeihen, ist daher letztlich immer Ihre Entscheidung. Niemand kann Sie dazu zwingen oder Ihre Vergebung einfordern – erst recht nicht die Person, die Sie verletzt bzw. Ihnen geschadet hat. Es ist Ihr Recht, Grenzen zu setzen und angemessene Konsequenzen zu erwägen. Vergebung bedeutet nicht, dass Sie z. B. nach einem Vertrauensbruch wieder blind vertrauen, über unverzeihliches Verhalten hinwegsehen oder den anderen einfach „damit davonkommen lassen“ sollen. Haben Sie das Gefühl, sich durch das Vergeben selbst zu schwächen oder Ihre Würde, Ihren Stolz oder Selbstrespekt dadurch zu verlieren, sind Sie offenbar noch nicht zur Vergebung bereit. Und das kann durchaus auch an der Tat selber liegen – oder an einer Beziehung, in der Sie vielleicht schon allzu viel verzeihen mussten.

Vergebung kann eine Entscheidung sein, aber auch Teil eines Prozesses, etwa wenn Sie gemeinsam an Ihrer Beziehung arbeiten, Ihre Ehe retten oder in Ihrer Partnerschaft zusammenwachsen wollen. Selbstachtung und Respekt vor dem anderen sind jedoch grundsätzliche Voraussetzungen für das Verzeihen. Außerdem braucht Vergebung immer Zeit, und Sie allein wissen (oder fühlen), wann nach der Verletzung genug Zeit vergangen ist. Lassen Sie sich also nicht dazu drängen, eine Entschuldigung zu akzeptieren oder jemandem Ihre Vergebung zu gewähren. Denken Sie daran, dass Ihr eigenes Wohlergehen und Ihr Seelenfrieden dabei im Fokus stehen, nicht die Gefühle Ihrer Partnerin oder Ihres Partners.

In bestimmten Situationen kann Vergebung außerdem falsch oder zumindest sehr problematisch sein. So gibt es durchaus Szenarien und Konstellationen in Beziehungen, in denen auch ich als Paartherapeutin Ihnen eher vom Vergeben abraten würde – zumindest, wenn Sie planen, mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin zusammenzubleiben. Dazu gehören z. B.:

  • Wiederholtes schädliches Verhalten: Wenn eine(r) in der Beziehung sich immer wieder verletzend bzw. falsch verhält und keine Anzeichen von Einsicht oder Reue zeigt, ist Vergebung der falsche Weg. Sie führt bestenfalls zum Fortbestehen der Probleme und schlimmstenfalls zu ungehinderter Eskalation und immer gefährlicheren Situationen. Besonders zu nennen sind hier wiederholtes Fremdgehen oder Untreue, Lügen oder Betrug in wichtigen Angelegenheiten wie Familienplanung oder Finanzen sowie Vernachlässigung des Partners in Zeiten der Not.
  • Kein Veränderungswunsch: Wenn die Person, die Sie verletzt hat, weder den Wunsch äußert noch Anstrengungen unternimmt, um sich bzw. das eigene Verhalten zu ändern, wird Ihre Vergebung weder Ihnen noch der Beziehung Frieden bringen.
  • Verletzung persönlicher Grenzen: Wenn jemand keine Bereitschaft zeigt, Ihre klar kommunizierten persönlichen Grenzen zu respektieren, kann Ihre Vergebung bedeuten, dass Sie sich selbst nicht genug lieben und respektieren und daher Ihre eigenen Bedürfnisse vernachlässigen. In diesem Fall können ebenfalls weder Sie noch Ihr Partner durch die Vergebung wachsen, besser oder glücklicher werden.
  • Missbrauch oder Gewalt: Erleben Sie Gewalt oder Missbrauch in Ihrer Beziehung, ist Vergebung weder angebracht noch förderlich. Zuallererst sollten Sie an Ihre Sicherheit denken und sich aus der Gefahrenzone bringen, indem Sie Ihren Partner verlassen, sich trennen bzw. aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. Zögern Sie nicht, Straftaten wie Körperverletzung, Vergewaltigung, Bedrohung, Stalking oder Nötigung bei der Polizei anzuzeigen oder sich anderweitig Hilfe zu suchen. Wenn Ihr Partner gewalttätig ist oder Sie in Ihrer Partnerschaft in eine Abhängigkeits- und Gewaltspirale geraten sind, brauchen Sie zuerst einen realen Ausweg, um sicher zu sein. Um die Aufarbeitung – etwa in einer Therapie – können Sie sich später kümmern.

Vergebung in der Beziehung – oder erst nach der Trennung?

Eine professionelle Beratung oder Therapie, allein oder zusammen mit Ihrer Partnerin oder dem Partner, können bei der Entscheidung helfen, wie man am besten mit schweren Verletzungen, Untreue oder Verrat in der Beziehung umgeht. Denn oft gibt es keine einfachen Antworten darauf, ob Vergebung angemessen ist oder nicht, wer zuerst vergeben soll oder mehr zu vergeben hat. Grundsätzlich fällt das Verzeihen aber schwer, wenn solche Fragen überhaupt noch im Raum stehen wie die sprichwörtlichen Elefanten. Dagegen ist es immer ein gutes Zeichen, wenn beide über das Ausdiskutieren von Rahmenbedingungen bereits hinweg sind und sich einfach nur einen würdigen Abschluss oder schwungvollen Neubeginn wünschen. Oft haben Vergebung und Versöhnung dann innerlich schon stattgefunden und müssen nur noch geäußert bzw. mit Worten oder Taten bekräftigt werden.

Vergebung nach einer Trennung hilft, alten Beziehungsschmerz, Liebeskummer oder verletzten Stolz zu heilen und frei für eine neue Liebe und neues Glück zu sein. Sie muss aber nicht bedeuten, die andere Person wieder in Ihr Leben zu lassen, ihre Handlungen im Nachhinein anders zu bewerten oder gar nachträglich zu billigen. Es geht darum, durch das Verzeihen Frieden und Freiheit von negativen Emotionen zu finden – unabhängig davon, ob Sie zu Ihrem (Ex-)Partner weiterhin Kontakt haben oder nicht. Oft besteht der Wunsch, dem anderen Menschen zu erzählen, dass man ihm vergeben hat – auch wenn seit der Trennung vielleicht schon Jahre vergangen sind. Manche Menschen hüten die späte Vergebung dagegen lieber wie einen geheimen Schatz, der Sie wärmt und an die eigene Stärke und Größe erinnert. Auch hier sind Sie in Ihrer Entscheidung frei – niemand kann von Ihnen verlangen, Ihrem Expartner „Absolution zu erteilen“ oder sich bei Ihrer Expartnerin noch einmal zu melden, um ihr mitzuteilen, dass Sie ihr verziehen haben.

Wie kann ich Vergebung lernen?

Vergeben ist etwas, das man lernen kann, doch es erfordert Zeit, Geduld und Übung. Wichtige Lernschritte auf dem Weg zur Vergebung sind:

  • Selbstreflexion: Indem Sie über Ihre Gefühle, die vergangenen Ereignisse und den Menschen, dem Sie vergeben wollen, nachdenken, können Sie Ihre Motive, Ängste und Wünsche klarer erkennen und so auch Schwierigkeiten und „Knackpunkte“ identifizieren, die Sie bisher daran hindern, zu vergeben.
  • Akzeptanz: Akzeptieren Sie, dass das, was passiert ist, nicht rückgängig gemacht werden kann. Konzentrieren Sie sich darauf, im Hier und Jetzt zu leben und die Vergangenheit mit gutem Gefühl loszulassen.
  • Empathie: Versuchen Sie, die Perspektive des Menschen, der Sie verletzt hat, zu verstehen. Damit rechtfertigen Sie nicht dessen Verhalten, sondern können komplexe Motive und Hintergründe besser erkennen bzw. nachfühlen. Das gibt Kraft und hilft gegen Gefühle der Ohnmacht oder des Ausgeliefertseins,
  • Loslassen: Gespräche mit Freunden oder auch eine professionelle Beratung oder Therapie können helfen, Wut oder Rachegedanken loszulassen. Vielen Menschen helfen dabei auch Sport oder Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Autogenes Training. Auch das Tagebuchschreiben ist eine bewährte Technik; dabei können Sie Ihre Gedanken und Gefühle sortieren und sich emotionalen Ballast „von der Seele schreiben“.
  • Vergebung praktizieren: Üben Sie den Akt der Vergebung, indem Sie sich bewusst dafür entscheiden. Oft hilft es, den Vergebungsakt mehrmals in Gedanken durchzuspielen und auch „in echt“ zu wiederholen.

Woran erkenne ich, dass ich bereit zur Vergebung bin?

Wenn Sie diese Anzeichen bei sich bemerken, sind Sie höchstwahrscheinlich bereit, zu verzeihen:

  • Die Erinnerung an das Ereignis, das Sie verzeihen möchten, löst keinen Zorn mehr aus. Stattdessen fühlen Sie Ruhe, Frieden und innere Stärke.
  • Sie haben keine „offene Rechnung“ mehr zu begleichen. Sie wollen den anderen Menschen nicht mehr bestrafen, konfrontieren oder leiden sehen, sondern einfach mit Ihrem Leben weitermachen.
  • Sie haben nicht mehr das Gefühl, Opfer einer Ungerechtigkeit, Spielball böser Mächte, vom Schicksal benachteiligt oder „der ewige Verlierer“ zu sein. Sie fühlen weder Notwendigkeit noch Zwang, das Vergangene zu bewerten, zu interpretieren oder zu (er-)klären. Stattdessen freuen Sie sich richtig darauf, endlich damit abzuschließen und nach vorne zu schauen.
  • Sie können die Motive und Sichtweisen des anderen Menschen nachvollziehen und sogar das Verhalten, das Sie verletzt hat, verstehen – auch wenn Sie es nach wie vor nicht gutheißen.
  • Sie fühlen sich reifer, stärker und klüger als vorher und können optimistisch in die Zukunft schauen.

Vergebung in der Paartherapie

Als psychologische Beraterin und erfahrene Paartherapeutin kann ich Partnern helfen, einander zu vergeben, bzw. ihnen den Prozess der Vergebung erleichtern. In der Psychologie und therapeutischen Praxis gibt es verschiedene Werkzeuge und Techniken, damit alte Wunden besser heilen oder die Kommunikation in der Beziehung wieder konstruktiver und besser wird. Beispiele sind etwa:

Kommunikationstraining: Als Paartherapeutin helfe ich Partnern beim Entwickeln und Üben von Kommunikationstechniken, um Gefühle, Bedürfnisse und Perspektiven auf respektvolle und konstruktive Weise auszudrücken und miteinander zu teilen.

Übungen zur Perspektivübernahme: Manche Übungen zielen darauf ab, die Perspektive des anderen besser zu verstehen, die Empathie zu fördern und so auch den Weg für Vergebung zu ebnen.

Achtsamkeits- und Entspannungstechniken: Sie können helfen, sich von negativen Gefühlen zu lösen, zur Ruhe zu kommen und Klarheit zu finden.

Vergebungsrituale: In einer Partnertherapie oder Eheberatung können auch bestimmte Rituale oder Übungen erlernt oder praktiziert werden, die den Prozess der Vergebung symbolisieren und das Verzeihenlernen erleichtern – etwa das Schreiben eines Vergebungsbriefs oder eine Vergebungszeremonie, die Sie auch später im Alltag durchführen können.

Rollenspiele: Durch Rollenspiele und praktische Übungen können Sie im geschützten Umfeld der Therapie lernen, Konflikte anzusprechen und Lösungen zu finden, die für beide Seiten akzeptabel sind. Auch beim Erkennen von inneren Widerständen und Entwickeln brauchbarer Konfliktlösungsstrategien für den Alltag sind Rollenspiele oft hilfreich.

Visualisierungsübungen: Bei geführten Visualisierungsübung können Sie sich z. B. vorstellen, wie es sich anfühlen würde, zu vergeben und inneren Frieden zu finden. Oft lassen sich dadurch Prioritäten besser erkennen, auch Uneinigkeiten oder Positionen, die (noch) unvereinbar erscheinen.

Nach der Vergebung: Wie geht es im Beziehungsalltag weiter?

Viele Paare haben Angst, nach der Vergebung, der Therapie oder generell der Überwindung eines Konflikts erneut in Schwierigkeiten zu geraten. Sie fürchten, im Alltag bzw. durch den „alten Trott“ erneut Fehler zu machen, unaufmerksam zu werden oder in die unerwünschten Verhaltensweisen zurückzufallen.

Zu den wichtigsten Ratschlägen, die ich Ihnen hier geben kann, gehören:

  1. Sprechen Sie miteinander! Hören Sie nicht auf, Fragen zu stellen, zuzuhören und sich jeden Tag aufs Neue füreinander zu interessieren. Offene und ehrliche Kommunikation ist entscheidend für eine erfüllende Beziehung. Nehmen Sie sich Zeit dafür, selbst wenn Sie im Alltag stark eingespannt sind.
  2. Unternehmen Sie etwas zusammen! Planen Sie regelmäßig gemeinsame Aktivitäten oder genießen Sie gemeinsame Zeit, um Ihre Bindung zu stärken und neue gute Erinnerungen zu schaffen.
  3. Seien Sie dankbar! Erinnern Sie sich bewusst an das Gute, das Sie zusammen haben, und versuchen Sie, täglich Ihre Wertschätzung füreinander auszudrücken.
  4. Keine Angst vor neuen Konflikten! Nähe schafft immer auch Reibungspunkte, doch Sie können konstruktive Lösungen finden und brauchen nicht in alte Muster, Vorwürfe oder Schuldzuweisungen zurückzufallen.
  5. Selbstfürsorge nicht vernachlässigen! Achten Sie auf Ihre seelische Gesundheit, hören Sie auf Ihre innere Stimme, und nehmen Sie sich die nötige Zeit und den Raum, um zu entspannen und sich zu erholen.

Mit diesen Tipps und Strategien können Sie auch im Alltag kontinuierlich an Ihrer Beziehung arbeiten, Liebe und Vertrauen lebendig erhalten und sich selbst in schwierigen Situationen fest aufeinander verlassen.

Ihre
Ilona von Serényi, Aachen-Oberforstbach

Zurück zur Themenübersicht

Ilona von Serényi - Paartherapie & Eheberatung
Pascalstraße 15, 52076 Aachen (Oberforstbach)
Telefon: 02408-59 80 859