Abschied mit Anstand – über Trennungen hinwegkommen

Es ist immer unerfreulich, wenn eine Beziehung zu Ende geht oder eine Ehe geschieden wird. Bei jeder Trennung verabschieden sich die Partner auch von einer Episode ihres Lebens, die wiederum aus vielen Geschichten bestand. Gemeinsame Pläne werden aus dem Land der Zukunft in das der Erinnerung verschoben, und auch der Alltag bekommt wieder ein ganz anderes Gesicht.

Den Partner zu verlassen oder vom Partner verlassen zu werden tut weh und kann das ganze Leben aus dem Gleichgewicht bringen. Oft lassen die akuten organisatorischen und wirtschaftlichen Strapazen in der Trennungszeit bzw. direkt nach der Trennung oder Scheidung jedoch kaum Platz für die emotionale Aufarbeitung des Geschehenen. Trennungsschmerz, Trauer, Zorn, alte Angst und neue Sehnsucht werden daher oft erst dann in ihrer vollen Stärke spürbar, wenn das Schlimmste bereits überwunden scheint.

Um nach einer Trennung neu beginnen zu können, ist es jedoch wichtig, auch innerlich gut mit der alten Beziehung und dem Expartner abgeschlossen zu haben. Liebe nach der Liebe – das bedeutet zuerst einmal die Rückkehr zu innerem Frieden und emotionaler Stabilität und das Ankommen und Zurechtfinden in dem neuen Lebensabschnitt ohne festen Partner. Es geht also um einen neuen Anfang mit sich selbst, um das Akzeptieren des veränderten Beziehungsstatus und einen Abschluss, mit dem sich leben und nach dem sich wieder etwas Neues aufbauen lässt.

Der Blick und Rat eines erfahrenen Außenstehenden sowie das Gefühl, nicht allein zu sein, können helfen, in schmerzlichen Trennungssituationen den Weg klarer zu sehen und wichtige Entscheidungen mit größerem Selbstvertrauen zu treffen. Daher ist die Ehe- und Paarberatung nicht nur für Menschen sinnvoll, die Probleme in einer bestehenden Partnerschaft lösen wollen, sondern auch für alle, die unter einer Trennung bzw. Scheidung leiden und nach Wegen suchen, über ihre schlimmen Erlebnisse hinwegzukommen und der Zukunft wieder mit Hoffnung und Freude entgegenzusehen.

Trennung ist harte Arbeit mit ungewissem Lohn
Es ist eine komplizierte und schwere Aufgabe, bei einer Trennung oder Ehescheidung den notwendigen klaren Kopf für Beruf und Alltag zu behalten und trotzdem seine Gefühle ernst zu nehmen und auch der inneren Stimme Gehör zu schenken. Alle Veränderungen, die erwünschten wie die unerwünschten, müssen nicht nur irgendwie überstanden, sondern angenommen und gemeistert werden. Das funktioniert aber nicht von einem Tag auf den anderen, sondern ist ein Prozess in vielen Schritten, der bei jedem Menschen anders verläuft.

Wann eine Trennung beginnt, wie lange sie dauert, wie die Beteiligten damit umgehen und wann (oder ob) sie danach wieder eine Beziehung eingehen möchten, ergibt sich schließlich aus unzähligen individuellen Faktoren, Situationen und Entwicklungen. Unter anderem hängt es davon ab, wie eng verbandelt das Paar vorher war, also von Tiefe, Umfang und Dauer der Partnerschaft.

Besonders deutlich ist der Einschnitt, wenn aus einem Haushalt wieder zwei werden und eventuelle Sorgerechts- und Wohnortfragen für Kinder geklärt werden müssen. Außerdem kann es ganz schön ins Geld gehen, langfristig aufgebaute und stark miteinander verschlungene gemeinsame Wege konsequent zu verlassen: Umzüge und Übergangszeiten, etwa aufgrund von beruflicher Neuorientierung, führen häufig zu größeren Finanzlücken und einem zumindest temporär sinkenden Lebensstandard. Das wiederum kann die Scham- und Schuldgefühle, unter denen fast jeder Mensch nach dem Scheitern einer Beziehung leidet, noch verstärken.

Viele würden sich nach der Trennung am liebsten in einer Ecke verkriechen und ihre Wunden lecken. Manche stürzen sich in die Arbeit oder in Liebesabenteuer, um Ablenkung und Bestätigung zu finden. Tatsächlich kann beides hilfreich sein, sowohl die vorübergehende soziale oder emotionale (Selbst-)Isolation als auch das Nach-außen-Tragen und Kanalisieren der Leidenschaften. Dauerlösungen sind das jedoch nicht, und erst später werden die Betroffenen wissen, ob und wie ihr Verhalten in dieser Zeit sie weitergebracht hat.

Neue Partnerschaften nicht überstürzt eingehen
So unkonventionell das klingen mag: Wer die Trennung noch nicht überwunden hat und sich nach Nähe und Zärtlichkeit sehnt, ist mit einer lockeren, freundschaftlichen oder einer rein sexuell motivierten Beziehung meist besser beraten als mit einer neuen festen Partnerschaft. Zu groß ist die Gefahr, dem neuen Partner bewusst oder unbewusst die noch nicht gelösten Konflikte mit dem Expartner aufzubürden bzw. sie mit ihm weiterzuführen. So wird der Neustart keinem der Beteiligten gerecht und hat daher wenig Zukunftschancen.

Vom berühmten „Sex mit dem Ex“ ist ebenfalls dringend abzuraten, zumindest während des ersten Jahres nach der Trennung, egal wie notwendig oder verlockend eine solche Aktion erscheinen mag. Die Erfahrung vieler Generationen lehrt, dass Rechnungen, die daran geknüpft sind, nicht aufgehen – oder ganz anders als geplant, was noch verwirrender und schlimmer sein kann.

Wenn sich die Wogen geglättet haben und jeder in seinem neuen Lebensumfeld angekommen ist, zahlt es sich aus, neuen Gefühlen und Gedanken Raum und Zeit zu geben. Dann ist der Blick nach vorn nicht mehr verbaut mit emotionalen Altlasten, sondern besonders reizvoll vor dem Hintergrund neuer Erfahrungen. Finden sich zwei Menschen zusammen, die beide bereits eine oder mehrere schwere Trennungen erlebt haben, empfinden sie das neue Glück als besonders kostbar. Sie möchten achtsam damit umgehen, ihm Raum zum Wachsen geben, es nicht durch vergangene Schatten gefährden und trotzdem mit allen ihren Narben, Ecken und Kanten darin Platz finden.

Viele sehen daher den Beginn einer Liebe nach der Liebe als richtigen Zeitpunkt für eine psychologische Paarberatung oder Partnertherapie an. Gemeinsame Gespräche können verhindern, dass alte Fehler und Verletzungen sich wiederholen, und machen stark für den Aufbruch zu neuen Ufern.

 

Siehe auch meine Artikel:

Trennung und Scheidung ohne Rosenkrieg? Ein Leitfaden für ein versöhnliches Ende einer Beziehung

Wenn schon Trennung, dann wenigstens fair