Alle Jahre wieder – Familienstreit und Ehekrise an Weihnachten vermeiden!

Weihnachten ist das Fest der Liebe. Daher gehören alle zur Zielgruppe, unabhängig von Alter, Religion oder kulturellem Hintergrund. Außerdem ist Weihnachten, das Fest der Geschenke, auch ein Fest des Konsums und der Organisation: Geschenke müssen ausgesucht und gekauft, Familientreffen geplant und Feiern ausgerichtet werden.

Unterm Strich geht es oft hauptsächlich darum, alle Erwartungen (auch die eigenen) zu erfüllen – am besten noch besser als im letzten Jahr. Denn schließlich ist Weihnachten nicht alle Tage: Wird das diesjährige Fest kein voller Erfolg, lässt die nächste Chance zwölf Monate auf sich warten.

Hohe Ansprüche, Angst vor Enttäuschungen, dazu die feiertagsbedingten Veränderungen der häuslichen Routinen: Die Kombination von Zeitdruck, Leistungsdruck und außergewöhnlichen Stressfaktoren schafft ein ideales Krisenklima und sorgt dafür, dass bei vielen Menschen schon vor Heiligabend die Nerven blankliegen.

Doch was nützt es, die psychologischen Gründe für Ehekrach, Familienzwist und Beziehungskrisen unterm Tannenbaum zu kennen, da sie für die meisten Menschen ohnehin nicht zu umgehen sind? Viel sinnvoller ist ein Verhalten, das allen Beteiligten Stress erspart und Konflikte schon im Vorfeld ausschließt oder zumindest so weit als möglich begrenzt.

Aus meiner Praxis für Paartherapie/Eheberatung kenne ich die typischen Krisenherde rund um das Fest der Liebe – und wünsche jedem liebenden Paar Kraft, Gelassenheit, eine Extraportion Humor und planerisches Geschick, um diese Herausforderungen gemeinsam zu meistern und zusammen die schönen Seiten der Weihnachtszeit und der Feiertage zu genießen.

Die lieben Verwandten: Weihnachtsbesuche und Familientreffen umsichtig planen

Das Organisieren und Gestalten von Besuchs- und Familienritualen betrifft vor allem Ehepartner, Familien mit Kindern und Paare, die schon länger zusammen sind. Stress beim Verwandtenbesuch entsteht häufig aus der Schwierigkeit, alle „unter einen Hut zu bringen“ und allen gerecht zu werden: dem Lebens- bzw. Ehepartner, den Kindern, der eigenen Verwandtschaft und der des Partners.

Familienbande sind selten spannungsfrei. Besonders kompliziert wird es, wenn die Verwandtschaft zahlreich und das Verhältnis einzelner Mitglieder zueinander angespannt ist – oder wenn die Familien der beiden Partner nicht harmonieren. Wenn ein anstehendes Familientreffen von einem der Partner (oder von beiden) als notwendiges Übel, Pflichtveranstaltung oder gar harte Prüfung empfunden wird, sollten beide sich vorher fragen, ob das Treffen wirklich unumgänglich ist. Falls ja, kann die folgende Fragen-Checkliste helfen, die Nervenbelastung und den Organisationsaufwand zu reduzieren:

  • An welchem Ort sollte das Treffen stattfinden?
    Vielen bringt der Heimvorteil mehr Gelassenheit, andere schätzen es sehr, nach Erfüllung ihrer Besuchspflicht ins gemütliche Heim zurückkehren zu können.
  • Lassen sich Pflichtbesuche auf mehrere Jahre aufteilen bzw. im Wechsel organisieren?
    (Etwa: „In diesem Jahr besuchen wir deine Eltern, im nächsten Jahr meine.“)
  • Falls ein Partner sich mit den Eltern/Verwandten des anderen nicht oder weniger gut versteht: Ist es notwendig, dass beide am Treffen teilnehmen?
    Grundsätzlich steht jedes Beisammensein unter einem guten Stern, solange alle Beteiligten von Herzen gern und freiwillig dazu erschienen sind.
  • Welcher Tag soll ganz dem Partner bzw. der Familie und Häuslichkeit gehören?
    Wer vorher (und idealerweise auch schon für die folgenden Weihnachtsfeste) zumindest einen Tag zum stress- und terminfreien Familien- oder Zweisamkeitstag erklärt, wird damit gewiss auf Verständnis stoßen – und sichert sich damit eine Oase, einen Rückzugsort, eine Hintertür und eine ganz legale Ausrede.

Weihnachten und Ehekrise: Bekannte und gefürchtete Konfliktpunkte umgehen

Wenn es beim Gespräch in der Eheberatung oder Paartherapie um weihnachtliche Konflikte, Krisen und Katastrophen geht, erzählen Frauen wie Männer immer wieder von ganz ähnlichen Situationen und Streitpunkten, die sie als besonders belastend empfunden haben. Zu diesen feiertäglichen Negativklassikern gehören unter anderem diese Aussagen:

  • Der Partner/die Partnerin wollte alles perfekt machen und hat mich dabei völlig vergessen.
  • Der Partner/die Partnerin wollte alles perfekt machen und hat mich damit völlig überfordert.
  • Wenn ich bei seiner/ihrer Familie bin, fühle ich mich wie das fünfte Rad am Wagen.
  • Wenn seine/ihre Familie bei uns ist, habe ich im eigenen Haushalt nichts mehr zu sagen.
  • Mein Partner und ich haben ganz verschiedene Ansichten zum Weihnachtsfest und streiten uns jedes Jahr deswegen.

Um wiederkehrenden bzw. vorhersehbaren Konflikten die Schärfe zu nehmen oder sie sogar endgültig über Bord zu werfen, gibt es tatsächlich ein wirksames Mittel: die Vernunft. Die ist allerdings kein Patentrezept, das sich einfach nachkochen lässt, sondern lediglich die Zutat, die bei keiner gemeinsamen Anti-Weihnachtsstreit-Strategie fehlen darf.

Vernunft hilft, den Perfektionsdrang einzudämmen, der viele Menschen in der Weihnachtszeit befällt und der von fast allen als stressfördernd und ungemütlich empfunden wird. Auch das Modewort „Entschleunigung“ gewinnt hier einen tiefen Sinn: Gerade in der dunklen und kalten Jahreszeit, die sich nachgewiesenermaßen ungünstig auf Stimmung und Leistungsfähigkeit der meisten Menschen auswirkt, sind Pausen wichtig.

Kleine, bewusste Auszeiten zwischendurch und ausreichend lange Regenerationsphasen nach Arbeit und Aktion klären den Blick auf Menschen und Dinge. Wer gelegentlich innehält, verliert seine Prioritäten nicht aus den Augen – und vermindert somit das Risiko, seine Bedürfnisse oder die des Partners zu übersehen bzw. falsch einzuschätzen.

Beziehungskrise zu Weihnachten: Mit Organisation und Kreativität den Stresskreislauf durchbrechen

Klare Regeln erleichtern den störungsfreien Ablauf von Familienfesten. Nutzen Sie Ihre persönliche Weihnachtsstatistik, um gemeinsam mit Ihrem Partner entsprechende Regeln festzulegen – und denken Sie am besten auch gleich darüber nach, wie Sie Ihre Regeln der Familie am besten mitteilen und welche Konsequenzen Sie ziehen könnten, wenn sie nicht eingehalten werden. Hier ist ein Beispiel:

Konflikt:
Die Mutter/Schwiegermutter kommt zu Besuch und würde am liebsten sofort das Feld übernehmen. Mit ungebetenen Ratschlägen, Hilfestellungen und Umorganisationen bringt sie die Gastgeber durcheinander, in Zeitverzug und schlimmstenfalls auf die Palme. 

Lösung A:
Verschicken Sie rechtzeitig vor dem Fest eine elegante Karte, auf der der gesamte Abendablauf samt Speisenfolge etc. genau festgelegt ist – weil Sie Ihre Gäste rundum verwöhnen möchten.

Eine sehr elegante Lösung, die vor allem dann geeignet ist, wenn der Konflikt erst einmal aufgetreten ist bzw. noch nie zu offenem Streit geführt hat.

Schlägt Ihr Plan fehl, können Sie z. B. beschließen, die nächste Feier im Restaurant stattfinden zu lassen oder betont minimalistisch auszurichten (jeder bringt sein Essen und seine Getränke selbst mit bzw. in der Küche stehen Gulaschkanone, Getränkekästen und Geschirr zur Selbstbedienung).

Lösung B:
Sagen Sie Ihrer Mutter/Schwiegermutter, wie Sie ihre Einmischung empfinden und dass ihr Verhalten den häuslichen Frieden beim Fest gefährdet. Setzen Sie dabei auf Nachvollziehbarkeit – und bauen Sie auch Hinweise dazu ein, welches Verhalten Sie freuen statt ärgern würde (z. B. „Wenn ich unter Druck koche, wird es nur halb so lecker“ oder „Ich würde dich so gern mit dem Ergebnis überraschen.“)

Eine gute Lösung, um die Gast/Gastgeberpositionen klarzustellen und einen wiederkehrenden Konflikt zu beenden. Funktioniert der Plan nicht, können Sie ruhig ankündigen, die entsprechende Person zum nächsten Fest nicht mehr einzuladen. Nicht selten hat eine solche (ernstgemeinte!) Drohung sogar zur späten Einsicht geführt.

Weihnachtsstress: Für die Liebe muss immer Zeit bleiben

Liebe braucht Zeit – nicht nur an Weihnachten. Leider führt die berühmte Weihnachtshektik jedoch dazu, dass sich viele Menschen ausgerechnet zum Fest der Liebe unter starkem Zeitdruck fühlen – und in der Folge ausgerechnet für den Partner zu wenig Zeit übrigbleibt. Im Gespräch bei einer Paartherapie/Eheberatung wird dafür häufig die sehr menschliche und auch verständliche Entschuldigung vorgebracht, man habe vor allem an die Kinder gedacht und diesen ein rundum glückliches Fest ermöglichen wollen.

Kinder sind jedoch weit weniger anspruchsvoll, als viele Eltern glauben oder sich einreden lassen. Sie brauchen keine perfekte Organisation und keine Rund-um-die-Uhr-Bedienung, um sich wohlzufühlen. Die meisten sind sogar viel zufriedener, wenn die Feiertage friedlich verlaufen und es genügend Zeit und Raum zum Spielen und Faulenzen sowie für planlose und ungeplante Aktionen gibt.

Stressgeplagte Eltern können also fest darauf bauen, dass ihre Kinder ihnen gern Freiräume gewähren werden – und alle Liebenden dürfen sich an Festtagen Freiräume schaffen und diese dann auch mit gutem Gewissen nutzen.

Außerdem ist es auch Erwachsenen erlaubt, zwischendurch wieder zu Kindern zu werden – und dazu ist Weihnachten alle Jahre wieder eine wunderbare und willkommene Gelegenheit.