Phasen einer Beziehung: Über die Beziehungsphasen Verliebtheit, Liebe und Partnerschaft

Phasen einer Beziehung: Über Verliebtheit, Liebe und Partnerschaft

In der westlichen Welt sind Liebe und Partnerschaft sehr eng miteinander verbunden und stehen als Beziehungsphasen in oft als unabdingbar empfundener Reihenfolge. Als sogenannte moderne Menschen sehen wir es als selbstverständlich an, uns bei der Partnerwahl vor allem von unseren Gefühlen, Wünschen und Impulsen leiten zu lassen. Ehen und Lebenspartnerschaften werden in aller Regel nicht aus Vernunftgründen oder praktischen wirtschaftlichen Erwägungen geschlossen, sondern aus der Verliebtheit heraus, mit der die Beziehung begonnen hat.

Wir empfinden (und sagen auch gern), dass aus der anfänglichen Beziehungsphase Verliebtheit Liebe werden muss, damit eine feste, dauerhafte und glückliche Partnerschaft möglich ist. Und das klingt dann so, als seien Verliebtheit, Liebe und Partnerschaft die drei wichtigsten Phasen einer Beziehung: Die erste geht, wenn das Schicksal und die Umstände günstig sind, ganz von selbst in die zweite über, und sobald das geschehen ist, sind die Grundvoraussetzungen für eine Partnerschaft oder Hochzeit gegeben.

Beim nüchternen Betrachten dieser Denkweise fällt allerdings ein gewisser Mangel an Logik auf. Denn während Verliebtheit und Liebe gemeinhin als etwas nahezu Magisches empfunden werden, setzt eine langfristige Partnerschaft vor allem Pragmatismus, Organisationstalent und gute Zusammenarbeit voraus. Dass diese sehr weltliche, alltags- und erdverbundene Basis sich ganz von selbst aus der überwältigenden Himmelsmacht Liebe, einer schicksalhaften Begegnung, einer magischen Verbundenheit oder gefühlten Bestimmung füreinander entwickelt, ist zwar durchaus möglich, aber keineswegs garantiert.

Zum Glück verhalten sich Menschen in der Liebe nicht logisch. Und so versuchen Millionen von Paaren trotz aller möglichen Gegensätze und Widersprüche, Verliebtheit, Liebe und Partnerschaft zusammenzubringen bzw. gleichzeitig zu erleben. In sehr vielen Fällen klappt das auch: Die Beziehung oder Ehe wird glücklich, das Zusammenleben funktioniert, und wenn es Probleme gibt, werden die Liebenden damit fertig. Ernstere Konflikte, die oft entstehen, wenn das Paar von einer Beziehungsphase in eine andere wechselt, erfordern vor der Lösung zuweilen ein Umdenken, eine Neuorientierung oder eine Rückbesinnung. Dabei können Einzel- oder Paargespräche mit dem Eheberater oder eine Paartherapie helfen.

Beziehungsphasen: Die Phasen einer Beziehung im Überblick

Die Reihenfolge, in der ein Paar die unterschiedlichen Phasen der Beziehung durchläuft, ist keineswegs von der Natur oder dem Schicksal festgelegt. Es gibt lediglich bestimmte Abläufe, die wir aufgrund von Traditionen, Erziehungsgrundsätzen und persönlichen Wünschen als bewährt, vielversprechend oder eben „normal“ ansehen. Tatsächlich ist es aber nicht ungewöhnlich, dass Paare im Lauf einer längeren Partnerschaft bestimmte Phasen ihrer Beziehung mehrmals erleben oder eine Phase überspringen. Je nach Lebenssituation treten die Liebesebene, die partnerschaftliche oder freundschaftliche oder die organisatorische Ebene in den Vordergrund – und das klappt umso besser, je mehr Flexibilität und Entwicklungsbereitschaft beide in der Beziehung mitbringen.

Grundsätzlich lassen sich die Phasen einer Beziehung schon auflisten und auch in eine Reihenfolge bringen. Das ist die Reihenfolge, die die meisten Menschen in den Industrienationen vor sich sehen, wenn sie an Beziehungsphasen denken:

  1. Partnersuche und Partnerwahl
    Sie gehört zwar noch nicht zur Beziehung, hat aber oft großen Einfluss darauf, für wen wir uns letztlich entscheiden. Auch Singles, die sich zwar langfristig einen Partner wünschen, aber gerade nicht bewusst danach suchen, legen bestimmte Auswahlkriterien an, die auch von früheren Erfahrungen, positiven wie negativen, und ganz persönlichen Sehnsüchten geprägt sind. Sie entscheiden beispielsweise, ob jemand eher nach einem Partner sucht, der ihm sehr ähnlich ist, oder nach einem, der starke Gegensätze mitbringt.
  2. Verliebtheit
  3. Erste Strukturierung (das „Zusammenraufen“, oft in Verbindung mit der ersten gemeinsamen Wohnung)
  4. Festigung, Organisation, Ausbau: Lebensplanung, Familienplanung, Kinder und Karriere
  5. Entspannung: Bilanz, Ernte, Neubeginn

Manche Paare fallen, nachdem sie jahre- und jahrzehntelang gemeinsam die sprichwörtlichen Stürme des Lebens gemeistert haben, in eine Art Loch, wenn sie auf einmal wieder mehr Zeit und Ruhe für sich haben. Die Kinder sind erwachsen und stehen auf eigenen Füßen, die Karriere verläuft in gesicherten Bahnen oder kann bereits friedlich beendet werden – und plötzlich kriselt es in der Ehe.

Das Gefühl, den Zenit des Lebens überschritten zu haben, löst häufig erst dann konkrete Angst aus, wenn der Druck früherer Aufgaben langsam nachlässt oder wichtige alltägliche „Sinnstifter“ – zum Beispiel die Beschäftigung mit beruflichen Projekten oder die Kommunikation mit den Kindern – seltener werden oder ganz wegfallen. Nicht nur Männer reagieren darauf zuweilen mit Torschlusspanik oder einem sogenannten „zweiten Frühling“, der die Beziehung so durcheinanderbringen kann, dass beide schließlich alles gemeinsam Erlebte in Frage stellen und sich hilfesuchend an den Eheberater wenden, weil sie ihre Prioritäten und ziele nicht mehr klar definieren können.

Diese Phase der Beziehung kann jedoch auch als Befreiung erlebt werden – als eine Zeit, in der zwei erfahrene und durch unzählige Prüfungen gereifte Liebende noch einmal genussvoll durchstarten können. Dazu müssen beide jedoch optimistisch nach vorne schauen und erkennen, dass Bedeutung, Bestätigung und das Gebrauchtwerden nicht an Kinder und Karrierehöhepunkte gebunden sind.

Gibt es eine Beziehungsphase mit besonders hohem Konfliktpotenzial?

Konflikte mit dem Partner können in allen Phasen einer Beziehung auftreten. Doch in der Anfangsphase wenden sich die wenigsten Paare an einen Paarberater oder Paartherapeuten, wenn es Probleme gibt. Der erste Streit, die ersten erkennbaren Differenzen, die sprichwörtlichen „ersten Wolken am Himmel der jungen Liebe“ – das alles gehört gewissermaßen noch zum Kennenlernen und zu einem Gewöhnungsprozess, der von den meisten frisch verliebten Paaren als beglückend und bereichernd empfunden wird. Kommt es in dieser Phase, in der der gemeinsame Alltag noch einen Experimentalcharakter hat, bereits zu unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten oder heftigen Konflikten, wählen viele Paare die Trennung als Ausweg – und erklären das Experiment damit als gescheitert.

Schwierig wird es immer dann, wenn der Wechsel von einer Beziehungsphase in die nächste nicht synchron verläuft, wenn also ein Partner glaubt, sich in einer anderen Phase zu befinden als der andere. In solchen Situationen ist es immer gut, eine Bilanz zu ziehen. So kann man erkennen, wie alt bzw. wie weit fortgeschritten die Unstimmigkeit ist – und wie der Weg aussehen könnte, um die Gefühle und Interessenslagen wieder in Einklang zu bringen.

Von den Phasen einer Beziehung ist Verliebtheit die Unvernünftigste

Verliebte Menschen befinden sich in einer Art Ausnahmezustand. Verliebtheit beruht auf außergewöhnlicher gegenseitiger Anziehungs- und Strahlkraft, deren Ursprünge zu einem großen Teil körperlicher Natur sind. Das lässt sich auch aus entsprechenden Redewendungen gut herauslesen: Zwischen Verliebten stimmt die Chemie, sie können sich gut riechen, der Funke springt über, es ist um sie geschehen. Verliebtheit versetzt den Körper in einen Rausch, der so stark sein kann, dass normaler Schlaf und normales Essen verzichtbar scheinen oder vor lauter Gefühlsaufruhr kaum mehr möglich sind.

Die starken und intensiven Gefühle des Verliebtseins werden gerade durch ihre Unkontrollierbarkeit als besonders real empfunden. Sie sind so beherrschend, dass sie praktische Überlegungen ausblenden und so tatsächlich in einem gewissen Sinne blind machen können. Glücklich Verliebte leben zuweilen wie in einem Traum, in dem nur die Gegenwart zählt, jeder Moment von Ewigkeit durchtränkt ist und alle Sorgen und Ängste in weite Ferne rücken. So gelingt es ihnen auch, gleichzeitig hellwach und gedankenlos, klar zentriert und völlig aufgelöst zu sein – ein Kunststück, dessen Erlernung einem Zen-Mönch Jahre der Übung abfordern kann.

Weil diese schöne Beziehungsphase sich so anfühlt, als sei man von der Last der Sterblichkeit befreit, könne alles meistern und müsse sich nie wieder vor etwas fürchten, so lange man den geliebten Menschen bei sich hat, ist sie jedem Menschen in maximaler Länge und Ausprägung gegönnt. Wer glücklich verliebt ist, kann und darf sich lust- und vertrauensvoll seinen Emotionen hingeben. Lust und Vertrauen sind immerhin zwei wesentliche Bindeglieder: Sie können die Liebe viele Jahre lang lebendig halten und stärken eine Partnerschaft auch in Krisenzeiten.

Verliebtheit wird nicht automatisch zu Liebe und Liebe nicht automatisch zu einer funktionierenden Partnerschaft. Doch wie auch immer sich die Verbindung später entwickeln mag: Die Leidenschaft und das rauschhafte Glück der Anfangszeit sollten in guter Erinnerung bleiben. Sie bereichern die inneren Schatzkammern, fetten die Biografie an und sorgen für einen Mehrwert an Persönlichkeit – selbst wenn dem Verlieben das Entlieben und schließlich die Trennung folgten.  

Wie kann aus dem großen Kino eine vernünftige Lebensplanung werden?

Erweist sich eine Beziehung als tragfähig und dauert an, wird sich der Rauschzustand mit der Zeit ganz von alleine abschwächen. Davor haben viele Menschen Angst und registrieren die Zeichen der Veränderung mit Sorge. Die Stunden der zügellosen Leidenschaft werden seltener oder müssen gut organisiert werden. Der strahlende, der geliebte, der allerbeste Partner hat schon wieder den Müll nicht rausgetragen, steht auf eine unmögliche Fernsehserie, gibt zu viel Geld für Unfug aus, kommt mit der besten Freundin nicht klar oder will nicht einsehen, dass die Tage, an denen er abends rohe Zwiebeln auf sein Sandwich legen durfte, gezählt sind. Der Alltag fordert seinen Tribut: Ist das nur das Ende vom Anfang oder etwa schon der Anfang vom Ende?

Der Übergang von einer Beziehungsphase zur nächsten ist vor allem eines: normal. Der Organismus (und damit der Mensch) strebt die Rückkehr vom Ausnahmezustand zu einem ausgewogenen Normalzustand an, damit er gesund bleiben kann. Die Synapsen und Hormone können nicht für den Rest des Lebens Tango tanzen. Sie brauchen Pausen und Erholungszeiten, sonst würden wir den Bezug zur Realität verlieren, die immerhin unsere geistige Heimat ist. Und zur menschlichen Realität gehört unter anderem das wirtschaftliche Handeln.

Der wirtschaftende Mensch (Homo oeconomicus) muss sich von dem, was er tut, einen Nutzen versprechen, damit er es freiwillig tut bzw. länger dabeibleibt. Liebe an sich zählt in diesem Sinne nicht zu den Handlungen: Sie kommt und bleibt freiwillig und stellt keine messbaren oder klar festzulegenden Bedingungen. Liebe und Gegenliebe sind auch nicht wie Leistung und Gegenleistung: Sie sind ein Geschenk, das sich aus sich selbst heraus erneuert und das sich Liebende daher fortlaufend gegenseitig darbringen können, ohne dass es sich verbraucht.

Mit der Erfüllung des Herzenswunsches, Liebe zu geben und zu empfangen, hat ein Mensch schon sehr viel erreicht. Aber als Basis für Lebenspartnerschaft, Ehe, Familien- und Lebensplanung reichen Liebe und das reine Bekenntnis zum Partner nicht aus. Anders als Liebe gründet die Partnerschaft auf einer willentlichen Entscheidung – und dem einmal getroffenen Entschluss werden weitere Absprachen, Vereinbarungen oder schriftliche Verträge folgen, um in allen kommenden Phasen der Beziehung das Zusammenleben zu regeln.

Lange Liebe braucht klare Regeln

Kernpunkt und Ziel aller entsprechenden Vereinbarungen ist die größtmögliche Ausgewogenheit von Geben und Nehmen in der Partnerschaft. Keiner der Partner soll zu kurz kommen, weder in körperlicher und materieller noch in geistiger und emotionaler Hinsicht. Dabei entscheidet allerdings wieder vor allem das Gefühl: Ob ein Mensch in seiner Partnerschaft zu kurz kommt oder nicht, lässt sich nicht mit Zahlen, Daten und Fakten nachweisen oder widerlegen. Darum gibt es auch keine Patentrezepte zur Regelung gängiger Streitpunkte wie etwa der Aufgabenteilung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, die Häufigkeit von Sex oder das Maß der individuellen Freiheit und Freizeit.

Wenn sich die Partner nicht oder nur halbherzig an ihre Vereinbarungen halten, kann diese fehlende Achtsamkeit zum Nachlassen des Vertrauens führen – und wenn das Vertrauen verschwindet, nimmt es meistens auch die Liebe mit. Darum ist es in allen Phasen einer Beziehung wichtig, dass beide mit den aufgestellten Regeln einverstanden sind und sich nicht nur wünschen, sondern auch praktisch zutrauen, sich dauerhaft daran zu halten. Oft stellt sich in der ersten Phase des Zusammenlebens heraus, dass die anfänglich gesetzten Ziele zu theoretisch oder zu idealistisch waren. Dann lohnt es sich, zuerst die eigenen Erwartungen zu prüfen, bevor man die Kompetenzen und das Potenzial des Partners in Frage stellt.

Eine Erwartungshaltung im Hinblick auf die Realität zu korrigieren bedeutet keineswegs automatisch, seine Ansprüche herunterzuschrauben oder Verzicht üben zu müssen. Es kann ebenso gut bedeuten, die Wirklichkeit zu zweit liebevoller, optimistischer und versöhnlicher zu betrachten, als man es alleine könnte, und nicht mehr nur sich selbst und die Gegenwart als Maßstab für Glück und Zufriedenheit anzusetzen.

Gemessen an der Menge und Vielfalt weiterer Bedürfnisse und handfester Alltagsanforderungen ist die Liebe viel eher die Kirsche als der Kuchen – nur dass wir modernen Menschen eben meist zuerst die Kirsche haben und erst später den Kuchen dazubacken. Bleibt man bei diesem Bild, besteht der Trick darin, die Kirsche beim Formen des Kuchens gut hochzuhalten, damit sie nicht unter dem Teig begraben wird, sondern immer obenauf bleibt.

In der Eheberatung, Paarberatung und Paartherapie geht es immer wieder um die Frage, wie sich der Beziehungsalltag auf Dauer so gestalten lässt, dass die Liebe bleibt. Tatsächlich können selbst die beste Organisation und die einvernehmlichsten Absprachen die Liebe nicht zum Bleiben zwingen. Doch so lange die Liebe noch da ist, lassen sich auch tiefliegende Kommunikations- und Organisationsprobleme meist gemeinsam lösen und in den Griff bekommen – egal, aus welchem Anlass oder in welcher Phase einer Beziehung sie entstanden sind.

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Ilona von Serényi, Aachen-Oberforstbach

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