Was ist eine toxische Beziehung, und was kann ich tun, wenn meine Partnerschaft vergiftet ist?

Von toxischen Beziehungen, toxischer Liebe oder sogar toxischen Menschen ist in den Medien mittlerweile recht häufig die Rede. Dabei ist das Wort toxisch (giftig) zwar populär genug geworden, um bei den meisten Menschen mehr oder weniger starke Bilder, Vorstellungen oder Assoziationen zu wecken, doch grundsätzlich gibt es natürlich keine giftigen Personen oder Beziehungen, sondern nur schädliche bzw. vergiftende Verhaltensweisen.

Weil die „toxische Beziehung“ im Grunde ein irreführender Begriff ist, gibt es auch sehr viele Interpretationsmöglichkeiten. Der in diesem Zusammenhang häufig verwendete Vergleich „Zwei wie Hund und Katz‘“ legt zum Beispiel nahe, dass es in der Partnerschaft dauernd Streit oder Stress gibt, weil die beiden Beteiligten auf unterschiedliche Weise kommunizieren, weshalb die Zeichen und Botschaften des anderen überwiegend falsch gedeutet bzw. missverstanden werden. Das ist jedoch kein toxisches Beziehungsverhalten. 

Ein anderer beliebter Vergleich, nämlich „wie Feuer und Wasser“, zeichnet das Bild zweier Menschen, die von ihrer Natur her sehr verschieden sind bzw. „nicht zueinanderpassen“, weshalb es bei Berührung, engem Kontakt oder in einer Beziehung laufend zu heftigen Reaktionen und Konfrontationen kommt. Doch auch, wenn es in einer Beziehung öfter mal knallt, brodelt, dampft oder überkocht, gibt es nicht notwendigerweise toxische Elemente. 

Toxische Beziehung - Definition aus psychologischer Sicht

Toxische Beziehungen sind Partnerschaften, in denen es mindestens einem, sehr häufig auch beiden Partnern fast durchgehend schlecht geht. Anders als eine „gesunde“ Partnerschaft raubt eine toxische Beziehung mehr Energie, als sie gibt. Toxische Beziehungen kosten sehr viel Kraft, geben aber wenig. Sie verursachen viel Leid, bringen jedoch keinen Trost - und fast immer sieht (und bezeichnet) sich jede(r) Beteiligte(r) als Opfer. 

Ein weiteres Merkmal, an dem die toxische Beziehung zu erkennen ist: Trotz der dominierenden schlechten Gefühle wie Kontrollsucht, Verunsicherung, Egoismus, Angst oder Abhängigkeit stecken die Partner in der Beziehung fest; viele sagen: „wie in einem Albtraum, aus dem man nicht aufwachen kann“ oder „wie im falschen Film“ (Machtverhältnisse in Beziehungen). Kränkende, herabwürdigende, furchterregende und grausame Verhaltensweisen sind an der Tagesordnung, etwa Beleidigungen, Spott oder Ignoranz, um den Partner zu bestrafen oder „totzuschweigen“. In toxischen Beziehungen findet sich die ganze Bandbreite der psychischen und körperlichen Gewalt.

Mögliche Konsequenzen von toxischen Beziehungen

Eine toxische Beziehung ist derart geprägt von negativen Gefühlen und vergiftendem Verhalten, dass es keine Erholungsphasen gibt und eine harmonische Partnerschaft überhaupt nicht möglich ist. Im Gegenteil: Alle Beteiligten verlieren durch das vergiftete Umfeld - und das ist nicht nur metaphorisch gemeint, sondern toxische Beziehungen verursachen messbare physische und psychische Schäden. So konnten Studien einen Zusammenhang zwischen toxischen Beziehungen und verschiedenen Erkrankungen feststellen, darunter Schlafstörungen, Depressionen, Stress- und Erschöpfungssyndrome (Burnout) und sogar einige Krebsarten. Menschen, die aus einer toxischen Beziehung jahrelang nicht herausfinden, können also nicht nur ihr seelisches Gleichgewicht, ihr Selbstwertgefühl, die Kontrolle über ihr Leben, ihren Beruf und ihre Gesundheit verlieren, sondern sogar ihr Leben um etliche Jahre verkürzen. 

Wie erkenne ich, dass ich in einer toxischen Beziehung stecke?

Eins der Hauptmerkmale der toxischen Beziehung ist, dass es Ihnen wegen Ihres Partners fast immer schlecht geht, dass Wut, Angst und andere schlimme Gefühle dominieren. Setzen Sie sich in einer ruhigen Minute hin, denken Sie über ihre Beziehung nach und schreiben Sie auf, an welche Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen Sie sich spontan erinnern - das Gute auf ein Blatt, das Schlechte auf ein anderes. In toxischen Beziehungen ist die Liste der schlechten Erlebnisse und Gefühle viel länger, sofern es überhaupt etwas Positives, Stärkendes oder Glücklichmachendes zu berichten gibt.

Typisch für eine toxische Beziehung ist auch, dass Sie trotz alledem nicht von ihrem Partner loskommen und glauben, dass zwischen Ihnen eine „magnetische“ oder „schicksalhafte“ Anziehungskraft besteht. Viele Betroffene halten diese intensiv empfundene Anziehung für Liebe - und verwechseln häufig auch ihren Schmerz, ihr Leid oder die Gewalt in der Beziehung mit besonders starker Leidenschaft. Doch echte Liebe und Leidenschaft - selbst wenn sie viel Kraft kosten, für schlaflose Nächte sorgen und in ihrer Wildheit beängstigend wirken können -, geben unterm Strich mehr, als sie nehmen. So vermittelt Liebe ein Grundgefühl der Harmonie und Sicherheit, die Partner beschützen einander und können so gemeinsam stärker werden und „über sich hinauswachsen“. Das funktioniert in toxischen Beziehungen nicht: Hier kann es jahrelang immer weiter abwärtsgehen, selbst wenn die Partner sich schon lange einig sind, dass es schlimmer eigentlich gar nicht mehr kommen kann.

Daraus ergibt sich ein weiteres Erkennungsmerkmal der toxischen Beziehung: Sie verändert die Beteiligten üblicherweise sehr stark, und zwar je deutlicher, umso länger die vergiftete Beziehung schon dauert. Das erkennen nicht nur Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen, etwa am Verhalten oder den Erzählungen der Betroffenen, sondern die Veränderungen sind in aller Regel drastisch genug, um sie auch auf „Vorher-Nachher-Fotos“ zu erkennen. 

Haltungen, Gesichtsausdruck, Gestik und Mimik, die Art, sich zu kleiden oder für besondere Anlässe „zurechtzumachen“: Alles verändert sich durch die toxische Beziehung, und zwar grundsätzlich zum Negativen. So kommt es, dass Menschen, die schon sehr lange in einer toxischen Beziehung feststecken, richtiggehend erschrecken können, wenn sie sich auf Bildern oder in Videos sehen, die vor der Beziehung aufgenommen wurden. Viele erkennen sich selbst kaum mehr wieder oder weinen bitterlich, wenn sie ihr früheres Ich wiedersehen, das so fröhlich, hoffnungsvoll und freimütig in die Kamera lacht - unendlich weit entfernt von dem gequälten, leiderfüllten, verzweifelten oder verbitterten Ich von heute.

Kann man toxische Beziehungen retten oder „heilen“?

Eine wie hier beschriebene toxische Beziehung kann (und sollte) nicht gerettet, sondern so schnell wie möglich beendet werden, bevor die Beteiligten noch mehr Schaden nehmen und noch mehr Kraft und kostbare Lebenszeit opfern. Das wissen die meisten Menschen, die in einer solchen Beziehung leben, tief im Innern auch selbst: Viele erzählen, dass ihre innere Stimme sie laufend warnt, zum Beispiel vor den Konsequenzen, wenn sie aus der Beziehung nicht bald herauskommen, vor dem drohenden Totalverlust schöner und wichtiger Dinge, vor der nächsten Eskalation, dem Partner und häufig auch vor sich selbst. 

Die meisten Betroffenen ahnen oder wissen, dass sie sich laufend selbst betrügen, etwa Leid mit Leidenschaft verwechseln, die Schuld für die Misshandlungen durch den Partner bei sich selbst suchen oder immer neue Erklärungen und Rechtfertigungen für die toxischen Verhaltensmuster finden. 

Die innere Stimme ist oft kurz nach dem Aufwachen besonders deutlich vernehmbar. Sagt sie Ihnen regelmäßig Dinge wie: „Du musst hier raus, bevor es zu spät ist“, dann hören Sie auf den Rat. Versuchen Sie nicht, den Partner, der sie laufend demütigt, kränkt, ängstigt oder mit schwarzer Wut erfüllt, weiterhin zu beschützen und die schlechte Beziehung zu retten, sondern retten Sie sich selbst. Nur wenn Sie sich aus dem zerstörerischen Beziehungsumfeld befreien, können Sie sich davon erholen, Heilung finden und neue Kräfte sammeln - für die Rückkehr zu sich selbst als einem Menschen, der echte Liebe geben und empfangen, echtes Glück suchen und auch finden kann.

Gibt es einen „Typ“ für toxische Beziehungen, und kann eine Paartherapie helfen?

Bei manchen Menschen zieht sich das Thema toxische Beziehung wie ein roter Faden durch die Biografie. Viele Betroffene kennen es seit ihrer Kindheit, weil auch die Beziehung der Eltern von schädlichen Verhaltensweisen, Machtmissbrauch, Unglück und Gewalt geprägt war. Um diesen Kreislauf zu durchbrechen, kann es helfen, professionelle Hilfe zu suchen und eine psychologische Therapie (z. B. Verhaltenstherapie) zu machen.  

Es ist allerdings selten eine gute Idee, zusammen mit dem Partner eine Ehe- oder Paarberatung zu beginnen, solange die toxische Beziehung noch besteht. In diesem Fall ist es besser, sich ohne den Partner an einen Therapeuten oder eine psychologische Paarberaterin zu wenden bzw. einzeln zum Beratungsgespräch zu gehen. Nur so besteht eine realistische Chance, die destruktiven Muster in einer angstfreien und offenen Atmosphäre zu erkennen und einen gangbaren Weg zu erarbeiten, um sie in Zukunft zu vermeiden. 

Sehr oft geht es dabei um das Aufarbeiten früherer Traumata oder Verletzungen. Den Partner hier mit einzubeziehen, kann bei toxischen Beziehungen den Schaden sogar noch vergrößern - besonders wenn es tatsächlich ein klares Opfer und einen klaren Täter gibt, also ein Part die Macht ausübt bzw. gewalttätig ist. Denn Gewaltopfer müssen lernen, die Zeichen, Muster und Ursachen von Gewaltspiralen zu erkennen, sich nicht selbst die Schuld dafür zu geben und - vor allem - nicht erneut hineinzugeraten. Dagegen neigen viele Täter dazu, Begründungen ihres toxischen Verhaltens als Rechtfertigung zu sehen - oder als willkommenen Anlass, sich ebenfalls als Opfer darzustellen. Gewalttätiges Verhalten soll jedoch nicht rechtfertigt werden, sondern es muss aufhören - und bei toxischen Beziehungen gibt es dafür nur einen Weg: die Trennung.

Anders sieht es natürlich mit Beziehungen aus, die zwar schwierig oder kompliziert, nicht jedoch toxisch sind. So können Hund und Katz‘, sofern sie einander lieben und trotz aller Verschiedenheiten auf Augenhöhe begegnen, ihre Kommunikationsschwierigkeiten überwinden und lernen, einander zu verstehen und die Zeichen des Partners richtig zu deuten. Auch Feuer und Wasser können eine harmonische Beziehung führen, solange jeder den Abstand, die Freiräume und die Ausdrucksmöglichkeiten, die seine bzw. ihre Natur erfordert, auch in der Partnerschaft hat. 

Selbst grundverschiedene Menschen können sehr vieles gemeinsam in einer Partnerschaft lernen, sofern es darin Liebe, Respekt und Humor, von Herzen kommendes Interesse und viel Austausch gibt. Im Umkehrschluss ist eine von schlechten Gefühlen und destruktiven Verhaltensmustern geprägte toxische Beziehung als Wachstumsgrundlage ungeeignet - ähnlich einem mit Salz gedüngten Acker, auf dem selbst Pflanzen mit robuster Natur verkümmern und Zartes gar nicht erst keimen kann. 

Ihre
Ilona von Serényi, Aachen-Oberforstbach

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